1. LON-CAPA Logo
  2. Help
  3. Log In
 


Zur Gestaltung und Fortentwicklung biologischer Forschung und Lehre

Peter v. Sengbusch

b-online@botanik.uni-hamburg.de

Aus: A. DALLY (Herausg.): Was wissen Biologen schon vom Leben ? S. 221-229
Evangelische Akademie Loccum, Loccum 1998

An dieser Stelle möchte ich das Thema nicht in seiner vollen Breite ausleuchten, möchte auch nicht auf die zahlreichen Detailprobleme eingehen, mit denen die heute Lehrenden täglich konfrontiert werden. Die Zahl und Art von nicht wiedergutzumachenden Vorgaben durch Hochschulverwaltungen (einschließlich der Dekanate und Rektorate) und Kultus- / Wissenschaftsministerien übersteigt das Vorstellungsvermögen aller, denen der Hochschulalltag fremd ist. Generationen von Studierenden haben darunter bereits gelitten und es besteht wegen der mangelnden Einsicht der verantwortlichen Stellen auch kaum Hoffnung, daß sich in absehbarer Zeit etwas ändert. Das Prestigedenken von Organen sowie der - trotz ständiger Klagen - immer noch reichlich fließende Geldstrom stabilisiert die Position des Establishments unter Ausschluß nachfolgender Generationen. Das Phänomen ist nicht auf deutsche Hochschulen beschränkt, sondern wurde bereits vor Jahren erkannt:

"Stuck on the road to nowhere. Thousands of thirtysomething scientists are being thrown on the scrapheap….." (New Scientist, 14. 10. 1995)

Das einst für deutsche Hochschulen gültige Postulat der "Einheit von Forschung und Lehre" hat sich längst zur Farce entwickelt. Die von den 68ern aufgestellte Maxime "des langen Wegs durch die Instanzen" ist zur Realität geworden. Die Opponenten von damals haben ihr Ziel erreicht und besetzen heute zahlreiche Schlüsselstellungen im Hochschulbereich und in Ministerien, da ihnen dort ohne echten Leistungsnachweis in der Vergangenheit Sanatoriumsplätze zugewiesen wurden. Ihre Stellung wurde durch die vielfach nach ihren Vorstellungen entwickelten Studienordnungen gestärkt ohne sie für die Folgen ihres Handelns verantwortlich zu machen. Universitätsangehörige, vorweg die Professoren werden in Gruppenuniversitäten nicht als Persönlichkeiten anerkannt, sondern nur als Klassenmitglieder gesehen und stellen in zunehmendem Maß ein beliebtes Angriffsziel durch unqualifiziert denkende Politiker (vornehmlich aus der Bildungs- und Wissenschaftspolitik) dar.

Die in der Öffentlichkeit immer wieder zitierten Engpässe in Hörsälen und Seminaren hat es im Bereich der Biologenausbildung zu keinem Zeitpunkt gegeben. Stattdessen wurden die zur Durchführung und Aufrechterhaltung von Lehrveranstaltungen erforderlichen Mittel stetig gekürzt, die Zeit der Lehrenden wurde durch verspätete Mittelzuweisungen, plötzliche Haushaltssperren und umständliche extrem kostensteigernde Maßnahmen zentraler Beschaffungsstellen in Anspruch genommen. Leistungskontrollen und Leistungsanreize in der Lehre sind Fremdworte. Die für "Qualität der Lehre" oder durch spezielle Preise eingesetzten Preise sind Almosen, durch die die Überheblichkeit der Preisgeber gegenüber den tatsächlichen Leistungsträgern herausgestrichen wird und deren eigentliche Leistungen diskreditiert. Mitteldurchsatz in der Universität dient dem Prestigedenken der Obrigkeit und lähmt alle Initiativen, die nachfolgenden Generationen zugute kommen sollten.

"Forschung" im Bereich experimenteller Biologie wird heutzutage zum großen Teil über Drittmittel finanziert, wobei die Mittel des Bundesministers für Bildung und Forschung sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft den Hauptanteil ausmachen, wodurch deren Einfluß auf Entscheidungen im Universitätsbereich unumwunden geltend gemacht werden. Diese wiederum stehen den eigentlichen Aufgaben der Universität oft diametral entgegen. Die Mittelbeantragung folgt strikt zu beachtenden Regeln, wobei "Kooperation" das magische Stichwort ist. Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche werden mit üppigen Geldmitteln versehen. Doch die Durchsicht und Analyse der im Rahmen dieser Projekte entstandenen Publikationen ergibt, daß von einer Kooperation der antragstellenden Mitglieder keine Rede sein kann. Vielmehr werden die Mittel primär zur Bezahlung von Studierenden verwendet, die zur Datenproduktion angehalten werden. Die Chefs benötigen diese Daten zur Erstellung von Folgeanträgen, um die jeweils nachfolgende Studentengeneration auszuzahlen. Die Abgabe der Datensätze reicht in der Regel für ein Diplom oder eine Promotion (rechtlich und sachlich in der Tat nicht angreifbar!) und führt dadurch für die Betreffenden zur Ausgliederung aus der Gesellschaft. - Absolventen mit so erworbenen Spezialqualifikationen werden außerhalb der betreffenden Arbeitsgruppe praktisch nicht benötigt. Bestenfalls reicht es für eine weitere "Qualifikationsrunde" (Post-Doc) in einem Labor mit ähnlicher Arbeitsausrichtung wie der des Betreuers / der Betreuerin.

Die Antragsteller sind in der Regel bemüht, aus den vorgelegten Daten eine Veröffentlichung in englischer Sprache zu verfassen, die vielfach von den Gutachtern englischer und amerikanischer Fachzeitschriften akzeptiert wird und in Zeitschriften englischer oder amerikanischer Verlage erscheint. Die deutschen Universitäts- / Institutsbibliotheken verwenden horrende Summen, um diese Zeitschriften zu abonnieren und zu archivieren. Alles das läuft unter dem Deckmantel des internationalen Renommés, bringt aber kaum jemandem praktischen Nutzen, geschweige denn zukunftsträchtige Arbeitsplätze. Die Publikationen sind in der Regel viel zu speziell, als daß sie einen weiten Leserkreis finden. Fachleute beziehen ihre aktuellen Informationen durch Suche in entsprechenden Datenbanken [z. B. aus Current Contents, einer vom Institute of Scientific Information (Philadelphia) wöchentlich herausgegeben Liste der Inhaltsverzeichnisse wissenschaftlicher Zeitschriften mit Adressenangaben der Autoren - heute auf Diskette, versteht sich] und anschließende Sonderdruckanforderungen, hinzu kommt das Angebot der einschlägigen Wissenschaftsverlage im www.

Die erwähnten Publikationen tragen heutzutage die Namen von durchschnittlich fünf Personen - der Projektleiter wird als letzter genannt, derjenige, der die Hauptarbeit geleistet hat als erster. In den USA ist es inzwischen üblich, bei Bewerbern nur die Publikationen zu zählen, bei denen er / sie als Erstautor genannt ist. Drittmittelgeber in der Bundesrepublik honorieren primär die Leistung des Antragstellers / Projektleiters.

Es gibt in der Bundesrepublik keine wirklich meinungsbildenden wissenschaftlichen Zeitschriften, in denen Überblicke und Tendenzen von Forschungsvorhaben vorgestellt und kritisch diskutiert werden. Im Englischen sind die Zeitschriften Nature, Science, Trends in…., Scientific American die eigentlichen Meinungsbildner, in denen auch internationale forschungspolitische Themen kritisch bewertet werden. Die deutsche Wissenschaftspolitik kommt dabei in der Regel schlecht weg, weil hier auch die Diskrepanzen zwischen politischem Lager und Wissenschaftlern angesprochen werden können. Als eklatantes Beispiel seien nur die Kommentare in den Ausgaben dieser Woche in Science und Nature zum Thema Human Gene Projekt genannt:

WATSON urges: "Put Hitler behind us" und "Your Budget is still totally inadequate for Germany to have a real impact" (Science: 276, vom 9. Mai 1997, S. 892)

"Germany gets warning on access to sequence data" Nature 387, vom 8. Mai 1997, S, 111. - Hier geht es nicht um die Äußerungen WATSONs, sondern um die Frage der kommerziellen Nutzung der Ergebnisse durch deutsche Unternehmen. Einige namhafte Firmen glauben, mit lächerlichen jährlichen Beiträgen von DM 150.000 ihren Einfluß geltend machen zu können

Die durch Drittmittelgeber über die Universitäten und andere Forschungseinrichtungen üppig hereinstürzenden Mittel führen bei den Antragstellern inzwischen zu einem gravierenden Mangel an spezifisch vorgebildeten Studenten, die als Doktoranden benötigt werden. Die Defizite in der Ausbildung spiegeln sich in einer Flut an Suchangeboten nach Fremdenlegionären in der ZEIT oder der DUZ wider. Zu den speziell geforderten Profilanforderungen gehören (aus Angeboten in der ZEIT - Ausgabe vom 9.5.97):

Die Vergabe von Drittmitteln unterliegt - sofern die Mittel reichen - den Vorstellungen von Gutachtern. Bei deren relativ geringer Zahl (bei hohem Spezialisierungsgrad) und der hohen Aufsplitterung der Antragsinhalte ist Insidern natürlich geläufig, wer begutachtet. Der Gutachter wiederum hat darauf zu achten, daß er durch seine Bewertung nicht die Projekte im eigenen Labor gefährdet, denn oft sind Antragsteller zugleich auch Gutachter ihrer Gutachter. Das System hat sich stabilisiert, für jüngere Wissenschaftler wird es zunehmend schwerer, in diesen Kreislauf einzudringen. Doch selbst wenn es gelingt, von der Stufe der Datenproduzenten auf die Stufe der Antragsteller zu gelangen, heißt es, daß man zeitlebens in diesen Kreislauf eingebunden bleibt. Für innovative Lehre bleibt deshalb keine Zeit. Um den gesetzlichen Lehrverpflichtungen nachzukommen, werden Spezialveranstaltungen angeboten, die bestenfalls der Rekrutierung neuer Mitarbeiter dienen.

Die Gutachtermanie hat mittlerweile ganze Institutionen (Universitäten, Fakultäten) erfaßt. Auch hier werden von Rektoren und Präsidenten Steuergelder in Größenordnungen von Hunderttausenden verschleudert, um ihre Universität durch Vertreter des Establishments begutachten zu lassen. Keines der mir bekannten Gutachten enthält irgendwelche nützlichen Hinweise zur Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten für die an den Universitäten tätigen Menschen. Es scheint den Gutachtern entgangen zu sein, daß Forschung und Lehre von Persönlichkeiten und nicht von Phantomgrößen wie Universität, Fakultät oder Fachbereich zu verantworten ist. Den Auftraggebern der Gutachten scheint auch nicht bewußt zu sein, daß sie als Amtsinhaber in leitender Position dafür Sorge zu tragen haben, daß an den Universitäten ein verträgliches Arbeitsklima herrscht, und daß die primären Aufgaben der Universität darin liegen, profilierte Persönlichkeiten hervorzubringen. Zudem hat eine Universität als Informationsbörse zu dienen. Der Soziologe R. DAHRENDORF charakterisierte die an deutschen Universität herrschenden Zustände als eine Anti-Führungs-Gesellschaft. (DUZ 3, 12 (1997)

 

DFG, MPG und ihre Präsidenten

 

Wenn es nach dem ersten Votum der Gremien geht, wird der Genetiker E.-L. WINNACKER der kommende Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Diese Entscheidung wird von dem Redakteur der ZEIT, J. FRITZ-VANNAHME (am 23.4.97) enthusiastisch begrüßt. Er spricht von der "Macht der Biologen" und daß sich Biologie zu einer Leitwissenschaft entwickelt hat. Auch der amtierende Präsident der Max-Planck-Gesellschaft H. MARKL ist Biologe. - In die Biowissenschaften werden weltweit gewaltige Summen investiert.

Zuviel der Vorschußlorbeeren. Hier wird so getan, als sei das Wohl und Wehe der Menschheit von biologischer Forschung abhängig, mir scheint das in dieser Form gesagt, nicht rechtfertigbar, weil er größte Teil der Mittel lediglich zu einer Routinedatensammlung genutzt wird und der Bezahlung von genormten Datenproduzenten führt.

Es ist z. B. bekannt, daß in den USA in den letzten Jahren Tausende von Freisetzungsexperimenten gentechnisch veränderter Pflanzen genehmigt worden sind, in Deutschland dagegen nur einige wenige (die im vergangenen Jahr dann auch noch von Gegnern der Gentechnik zerstört worden sind, letzte Woche schon wieder ein Fall). - So weit, so gut, oder auch nicht: Denn wozu haben diese Tausenden von Versuchen denn wirklich geführt, welche praktisch verwertbaren Ergebnisse sind dabei zu verzeichnen? Ist der Aufwand zu rechtfertigen, wo doch nur eine matschfeste Tomate erzeugt wurde (die gar nicht gut schmecken soll) oder "Gensoja", die nur dem Umsatz eines Chemieunternehmens nutzt?

In einem Aufsatz (ebenfalls in der ZEIT: vom 2. Mai 1997) äußert sich E.-L. WINNACKER zum Thema "Das Gen und das Ganze". Ich möchte ihm in den wesentlichen Punkten recht geben, vor allem, weil er die Erfolge der Gentechnik für die Erforschung medizinischer Probleme und für die Grundlagenforschung herausstreicht. - Hier liegen in der Tat die erfolgversprechensten Tätigkeitsfelder von Gentechnikern. Die Gentechnik kann schon heute auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken.

Mit einer der Argumentationslinien bin ich jedoch nicht einverstanden. Er schreibt:

"Die Anforderungen der modernen Biologie werden auch die Forschungs- und Forschungsförderungsstrukturen ändern. Derzeit wird in den USA ein Programm entwickelt, in dessen Verlauf 6000 Hefestämme erzeugt werden sollen, die sich jeweils nur in einem fehlenden Gen unterscheiden. Da es knapp 6000 Gene sind, müssen dann 6000 Stämme einzeln auf ihre jeweiligen Eigenschaften hin untersucht werden, um die Funktion der Gene zu verstehen. …. Wer dem "Deletionskonsortium" nicht angehört und mitgearbeitet hat, der wird das Nachsehen haben."

Wirklich? Erstens ist überhaupt noch nicht klar, daß es bei der Hefe 6000 Gene gibt. Das Genom ist zwar mit großem Aufwand sequenziert worden [Kosten für den europäischen Steuerzahler: 40 Millionen Mark. Die erste Publikation in der Nature (Meldung, daß das Chromosom 3 der Hefe sequenziert wurde, hatte 157 Autoren. Die Sequenz selbst wurde auf Papier nicht veröffentlicht, sie ist Interessenten über die EMBL-Datenbank zugänglich)]. Das Ergebnis der Gesamtgenanalyse führte zu dem überraschenden Ergebnis, daß es mehr ORFs (=open reading frames) gibt, als man es aufgrund genetischer Analysen vermutet hatte. Ein ORF hat zunächst einmal alle Sequenzeigenschaften, die man von einem Gen zu erwarten hat, ob es aber tatsächlich für ein aktives Genprodukt codiert, bleibt dahingestellt. - Ich möchte bezweifeln, daß eine Hefezelle tatsächlich so viele Gene benötigt. Bei einer Veränderung eines Gens kann alles mögliche passieren. Seit langem kennt man z. B. das Spektrum an Anämien aufgrund von Veränderungen in den Hämoglobinen alpha und beta (des Menschen). Eine der Mutationen, die zum Sichelzellhämoglobin führt, bietet den Trägern einen Schutz vor Malaria. Träger dieses Gens (in heterozygotem Zustand) gewinnen somit einen Selektionsvorteil. Im Sequenzierungsprojekt HUGO (Human Genome Project) und bei einem Ansatz, wie oben skizziert würde man auf solche Mutanten gar nicht stoßen. - Also, man braucht zur Klärung, was alles möglich sein könnte etwa so viele Mutanten, wie es Züge in einem Schachspiel geben kann. Das von den USA in Aussicht genommene Projekt kann daher gar nicht zu einem Abschluß gebracht werden. Wäre es da nicht sinnvoller, andere genetische Defekte zu untersuchen, etwa Defekte im menschlichen Genom, die zu bestimmten Symptomen führen (s.o.)? - Das wird natürlich gemacht, führt zu vielen Einzelergebnissen, und ein Ende ist auch dort nicht absehbar.

Daß sich Forschungs- und Forschungsförderungsstrukturen ändern müssen, klingt wie ein Gemeinplatz. Wenn man in einem "Deletionskonortium" mithalten möchte, bedarf es natürlich effizient arbeitender Einrichtungen, wobei die Effizienz nicht auf Kosten der eigentlichen Datenproduzenten gehen darf. Die Stärke der deutschen Chemischen Industrie beruhte über ein Jahrhundert lang auf der Strategie, Absolventen der Universitäten (und der extra dafür eingerichteten Technischen Hochschulen) eine sozial abgesicherte Position zu bieten, in der sie - ohne das Ende eines Zeitvertrags fürchten zu müssen - einen gewaltigen Fundus an Ergebnissen produzierten, von denen sich einige wenige kommerziell verwerten ließen und damit das Gesamtsystem stabilisierten. - Wenn es nunmehr heißt, Deutschland müsse sich an der Erarbeitung entsprechender Projekte beteiligen, so darf das für die Entscheidungsträger nicht anders heißen, als daß entsprechende Bundesforschungsanstalten einzurichten sind, in denen die notwendigen Datensätze erarbeitet werden können. - An Universitäten ist für ein solches Vorgehen kein Platz mehr, Drittmittelforschung hat schon viel zu viele Opfer gekostet.

Der Aufsatz endet mit dem Statement:

Nicht gegen die Gesellschaft, sondern nur gemeinsam mit ihr kann und wird der neuen Biologie ein fliegender Start als Wissenschaft des 21. Jahrhunderts gelingen.

Muß die Biologie überhaupt noch starten? Zum Lebensstandard im technologischen Zeitalter des 19. und 20. Jahrhunderts hatte sie doch schon ganz ordentlich beigetragen. Vor den Erfolgen braucht man sich nicht zu schämen. Vor einigen Jahren (1992, VCH Weinheim) erschien, von P. PRÄVE herausgegeben, ein Sammelband mit Aufsätzen zum Thema "Jahrhundertwissenschaft Biologie ?!". Wenn es nach dem Wissensstand der Autoren (offiziellen Vertretern wissenschaftlicher Gesellschaften) ginge, ständen wir wirklich ganz erbärmlich da. Nur ganz so schrecklich ist es wirklich nicht!

Was tut nun aber das amtierende Präsident der Max-Planck-Gesellschaft H. MARKL? Dient es wirklich der Förderung der Wissenschaft, wenn er die Mitarbeiter in den Instituten der Gesellschaft begutachten lassen möchte? Wenn er schon der Meinung ist, niemand brauche die Gutachter zu scheuen, wozu dann das Ganze?

Trotz des "Aufbruchs der Biologie" (s. o.) sollen zwei der traditions- und einflußreichsten Max-Planck-Institute, das MPI für Biologie in Tübingen und das MPI für Verhaltensforschung in Seewiesen geschlossen werden. Ich fühle mich selbst davon betroffen, denn schließlich habe ich im Tübinger MPI für Biologie promoviert. Dieser Beschluß ist nicht durch die Aussage zu rechtfertigen, an anderer Stelle seien neue Institute gegründet worden. Formal ist das richtig, doch befassen die sich nur mit hochspeziellen Themen. Ist es nicht eher so, daß es den Führungsgremien in der MPG nicht gelungen ist, in Deutschland oder im Ausland einen profilierten Wissenschaftler zu gewinnen, der der Position eines Direktors am Max-Planck-Institut für Biologie (oder Verhaltensforschung) gewachsen wäre? Offensichtlich wurde in den letzten Jahrzehnten versäumt, Wissenschaftler auf solche Aufgaben vorzubereiten.

MARKL setzte sich in den vergangenen Wochen in der Presse für den Euro ein. Er meinte, daß beim Euro wie für die Forschung gilt: Die Chancen nutzen. "In Wissenschaft und Forschung gilt: Nur durch Zusammenarbeit kommen wir weiter. Wer sich abschottet, tritt auf der Stelle". Vergißt der Präsident der MPG denn, daß es bei der "Forschung" so wie dargestellt nur um ein Phantom oder ein Glaubensbekenntnis handelt. Forschung ist nichts anderes als Befriedigung menschlicher Neugier. Ein Wissenschaftler ist doch kein normiertes Systemmitglied, sondern sollte eine eigenständig denkende Persönlichkeit sein, die nicht nur dem Zeitgeschehen hinterherrennt. - Im Übrigen: Die Mehrzahl der tatsächlich erforderlichen Dienstreisen von experimentell arbeitenden Naturwissenschaftlern geht in Richtung USA, England oder Schweiz. Dort wird auch in Zukunft in US-Dollar, Pfund und Schweizer Franken abgerechnet. - Die MPG kann es sich wohl leisten, die Mehrkosten zu tragen. Die Mehrkosten der erwähnten Zeitschriftenabonnements kommen natürlich auch hinzu.


Hamburg, 14-05-1997,
© Peter v. Sengbusch