Mit Beginn des 14. Jahrhunderts breitete sich, von Florenz ausgehend, eine neue kulturelle Bewegung aus. Die Renaissance ist die Wiedergeburt der Ideen des klassischen Altertums. Man löste sich von der doktrinären Denkweise (Scholastik) und begann, klassisches Gedankengut zu verstehen und, auf ihm aufbauend, zu vervollkommnen und weiter zu entwickeln. In Oberitalien entstanden die ersten Universitäten und mit ihnen die ersten Botanischen Gärten der Neuzeit: Padua (1543 oder 1544), Pisa (1545), Bologna (1567).
Im übrigen Europa wurden die ersten in Leiden (1577), Montpellier (1593) und Heidelberg (1597) angelegt. Ihr Einfluß bestand darin, das Studium der Pflanzen von der Buchgelehrsamkeit auf die Untersuchung lebender Pflanzen zu lenken. Mittelpunkt der Erforschung waren einmal die jeweilige Landesflora, zum anderen fremdländische Pflanzen, die in den Gärten kultiviert wurden. Der Garten in Pisa wurde von LUCA GHINI (1490-1556) angelegt. Ihm wird auch das Verdienst zugeschrieben, als erster Pflanzen zu pressen und zu trocknen und so in Herbarien zu konservieren. Das älteste erhaltene Herbarium stammt von seinem Schüler CIBO (1532). Die botanische Forschung konzentrierte sich auf die Universitäten, stand aber meist im Dienste der Medizin, und das blieb so bis ins 19. Jahrhundert hinein, obwohl der erste Professor für Botanik bereits 1533 in Padua ernannt wurde: F. BONAFIDE.
Ganz entscheidend wurde die Verbreitung wissenschaftlicher Literatur durch die Erfindung des Buchdrucks gefördert (J. GUTENBERG, Mainz 1446).
Die Zahl beschriebener Pflanzenarten stieg rapide an:
1532: BRUNFELS 800 Arten
1552: BOCK 240 Arten
1551: LONICER 879 Arten
1552: DODONAEUS 884 Arten
1586: DALECHAMP über 3000 Arten
1623: BAUHIN über 6000 Arten
Zu den herausragenden deutschen Botanikern gehörten
OTTO BRUNFELS (geb. 1488 in Mainz, gest. 1534 in Bern, Beruf: erst Lehrer, später Arzt) | |
HIERONYMUS BOCK, lat. TRAGUS (geb. 1498 in Heiderbach, gest. 1554 in Zweibrücken, Beruf: erst Lehrer, dann Aufseher des herzoglichen Gartens in Zweibrücken, |
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LEONHARD FUCHS (geb. 1501 in Wemding im Nördlinger Ries, gest.
1566 in Tübingen, Beruf: erst Arzt, dann Professor der Medizin in Ingolstadt, später in Tübingen) |
Die drei wurden von K. SPRENGEL in seiner "Geschichte der Botanik" als Väter der deutschen Botanik geehrt.
OTTO BRUNFELS war der erste, der eine umfangreiche Sammlung von (gedruckten!) Abbildungen einheimischer Pflanzen, nach der Natur dargestellt, herausgab. Sein Werk erschien erst in lateinischer, kurz danach in deutscher Sprache (Contrafayt Kreutterbuch). Der Text lehnt sich deutlich an DIOSKORIDES an.
HIERONYMUS BOCK unternahm ausgedehnte botanische Exkursionen durch den Hunsrück, die Eifel, die Ardennen, Vogesen, den Jura der Schweizer Alpen und die Rheinländer. Er sammelte Pflanzen und kultivierte sie in seinem Privatgarten, um ihre Verwandtschaftsbeziehungen zu studieren. Bei der Namensgebung richtete auch er sich nach antiken Vorbildern und kam daher zu vielen falschen Schlüssen. Mit BRUNFELS stand er in einem regen Schriftwechsel. 1539 erschien sein Werk:
New Kreutterbuch von underscheidt, würckung und namen der Kreütter, so in Teutschen landen wachsen..
Der ersten Auflage fehlten Abbildungen, die zweite (1546) enthielt 465 Holzschnitte, von denen etliche nach BRUNFELS und FUCHS kopiert worden waren. Die Bedeutung des Werkes liegt im wesentlichen in den Beschreibungen des Habitus (der Gestalt) der Pflanzen sowie ihrer Entwicklung im Verlauf der Vegetationsperiode. Daneben finden sich ausführliche Angaben über ihre Fundorte.
LEONHARD FUCHS sah seine Hauptaufgabe darin, der geistigen Herrschaft der Araber (in der Medizin und in der Arzneikunde) ein Ende zu setzen und sich wieder auf die großen Meister des alten Griechenlands zurückzubesinnen. Zum Kennenlernen der Pflanzen empfahl er das Studium der Natur. Seine 1542 erschienene Arbeit "De historia stirpium commentarii" gehört zu den klassischen Werken der botanischen Literatur. Die Pflanzenarten werden in alphabetischer Reihenfolge genannt. Der Text bezieht sich auch bei ihm noch zu einem großen Teil auf DIOSKORIDES. Nach L. FUCHS ist die südamerikanische Onagraceen-Gattung Fuchsia benannt.
Die Beschreibung und die Suche nach der Bedeutung von Blüten und Früchten wird von allen drei Forschern vernachlässigt.
Beginnend mit dem 16. Jahrhundert weiteten sich Pflanzenkenntnisse aus. Sie blieben nicht mehr das Privileg einiger weniger. Eine Anzahl von Länder- und Lokalfloren erschien. Deutsche Lokalfloren wurden im wesentlichen im 17. Jahrhundert bearbeitet:
1615: Altendorf (L. JUNGERMANN)
1618: Ingolstadt (A. MENZEL)
1623: Gießen (L. JUNGERMANN)
1643: Danzig (N. OELHAFEN)
1663: Halle (C. SCHEFFER)
1680: Pfalz (F. v. FRANKENAU)
1675: Leipzig (P. AMMANN)
1700: Nürnberg (J. G. VOLKAMER)
Von den Forschern jener Zeit seien nur einige wenige genannt. Ihre Namen finden sich heute vielfach in den Familien-, Gattungs- und Artnamen der modernen (Linnéschen) Nomenklatur wieder.
C. GESNER (1516-1565); nach ihm benannt: Gesneriaceae, Gesneria, Tulipa gesneriana . Er war der erste, der Blüten und Fruchtteile einer näheren Betrachtung würdigte, dieselben mehrfach abbildete und ihren Wert für die Bestimmung von Verwandtschaftsbeziehungen erkannte. Er bestieg als erster den Luzerner Hausberg (den Pilatus) und konstatierte eine Gliederung der Vegetation in Höhenregionen:
Region des dauernden Winters | |
Region des Frühlings: Hier blühen mitten im Sommer Pflanzen, die in der Ebene schon im Frühling blühen, wie Veilchen, Huflattich und Pestwurz | |
Die Region des Sommers: Täler und Ebenen. | |
Die Region des Herbstes: Einige Bäume, besonders Kirschen kommen zur Fruchtreife |
In dieser letzten Region wirken sich alle Jahreszeiten aus. Die dritte besitzt außer Frühling und Winter noch etwas Herbst. In der zweiten folgt auf einen langen Winter ein kurzer Frühling. In der obersten Region aber herrscht dauernder Winter. GESNER beobachtete auch, daß sich die Pflanzen der Berge im Vergleich zu denen der Täler durch kleinere und gedrungenere Blätter auszeichnen.
Monster (Wal auf den Abbildungen in der Mitte und unten) - aus: CONR. GESNERI: Historiae Animalium, Liber IV - Qui est de Piscinum & Aquatilium Animantium natura. - Frankfurt 1620
P. A. MATTHIOLI aus Siena (1501-1577; nach ihm benannt: Matthiola [Cruciferae]), schrieb ein Kräuterbuch, das 60 Auflagen erlebte (lateinisch) und ins Italienische, Deutsche und Böhmische übersetzt wurde.
A. LONICER (geb. 1527 in Marburg, dort Professor, später Stadtphysikus in Frankfurt, gest. 1586; nach ihm wurde die Gattung Lonicera [Caprifoliaceae] benannt). Auch von ihm stammt ein Kräuterbuch, das es auf fünf Auflagen brachte.
M. de L'OBEL (LOBELIUS) (geb. 1538 in Lille in Flandern, gest. 1616; nach ihm benannt die Gattung Lobelia [Lobeliaceae]). Er beschrieb zum ersten Male einige der noch heute gültigen Gruppen (Familien, Ordnungen, Gattungen): Gräser, Lilien, Binsen, Riedgräser, Labiaten, Leguminosen u.a. Er erkannte, daß die Monokotyledonen eine eigenständige Gruppe sind und wies somit auf die Bedeutung natürlicher Verwandtschaften hin.
Zu den Erforschern fremder Länder gehörten ab der Mitte des 15. Jahrhunderts die Portugiesen, die die Westküste Afrikas befuhren. Ceylon, China und schließlich beide Teile Amerikas wurden Ziele weiterer Entdeckungsreisen. Viele fremdländische Pflanzen fanden Eingang in europäische Gärten, und eine Anzahl uns heute geläufiger Nahrungs- und Genußmittel wurde importiert.
Der führende italienische Botaniker seiner Zeit war A. CESALPIN(O) (lat.: CAESALPINUS) aus Arezzo (Toscana) (1519-1603), Professor in Pisa. 1583 erschien sein Hauptwerk "De Plantis". Es war in vielem neuartig, blieb für Jahrhunderte ein Standardwerk und übte einen maßgeblichen Einfluß auf C. v. LINNÉ aus. Es bietet eine umfangreiche Darstellung der theoretischen Botanik mit den Teilgebieten Morphologie, Anatomie, Biologie, Physiologie, Systematik und Nomenklatur. Im Gegensatz zu den Arbeiten von BRUNFELS, BOCK und FUCHS nutzte er das empirisch beobachtete Material als Grundlage theoretischer Überlegungen. Er suchte das Allgemeine aus dem Einzelnen herauszulesen und das prinzipiell Wichtige (im aristotelischen Sinne) zu erfassen. Bei der Beschreibung der Pflanzen ging er von physiologischen Prinzipien aus. Er verglich Samen und Knospen und versuchte zu zeigen, daß der wesentliche Teil des Samens an der Stelle zu suchen sei, wo die Kotyledonen (Keimblätter) ihren Ursprung nehmen. Blüten beschrieb er als Hüllen der Befruchtungsteile. Die Blüten wiederum gliederte er in drei Teile: folium (Blütenkrone, der er - wie schon der Name sagt - lediglich eine Blattfunktion zuweist), stamen und flocci. Die beiden letzten Begriffe sind nicht mit den uns heute geläufigen vereinbar, unter stamina versteht er nämlich den Griffel, unter flocci die Staubblätter. Es gäbe zwar bei manchen Arten einen Unterschied der Geschlechter, wie z.B. beim Hanf, der Nessel und dem Bingelkraut, aber im allgemeinen dürfe man ihn bei den Pflanzen nicht suchen, weil sie einen zu einfachen Bau hätten. Der Kelch wurde als Fortsatz der Rinde gesehen, und CESALPIN nahm daher an, daß er nach der Blüte bestehen bleiben würde. Er wies darauf hin, daß man bei der Klassifikation außer auf die Verschiedenheiten der Frucht auch auf die der Blüte und des Kelches achten sollte, aber die Farbe, der Geruch und Geschmack seien unwesentlich und kämen daher gar nicht in Betracht.
Sein System der Pflanzen beruhte auf unterschiedlichen Fruchtformen. Dem übergeordnet war immer noch die klassische THEOPHRASTsche Einteilung in Bäume, Staudengewächse und Kräuter:
I. Bäume. A. einsamige, B. zweifächrige Behälter des Samens, C. dreiteilige, D. vierteilige, E. vielteilige.
II. Staudengewächse und Kräuter. A. einsamige, B. zweisamige, usw.
III. Samenlose (Farne, Moose, Algen).
CESALPIN war nicht frei von scholastischen Einflüssen. Er ließ sich langwierig über das Problem der Seele aus und fragte sich, ob es eine oder zwei Seelen gäbe (für Wurzel und Sproß getrennt). Dabei kam er zu der Ansicht, daß nur eine vorhanden sei, die er am Wurzelhals ansiedelte.
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