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Tag für Wissenschaft und Wirtschaft der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein - Westfalen

Biotechnologie
- Herausforderung für Wissenschaft und Wirtschaft"

Donnerstag, den 30. Mai 1996, Münster - Schloß



"Nationale und Internationale Trends in der Biotechnologie aus der Sicht der Wissenschaft"



Prof. Dr. Heinz Saedler

Im September 1995 gab die renomierter Zeitschrift "Scientific American" anläßlich ihres 150-jährigen Jubiläums eine Sonderausgabe zu "Schlüsseltechnologien im 21. Jahrhundert" heraus. Diese umfaßten natürlich Informationstechnologien, Transport, Machinen, Materialien und ihre Fabrikation, Energien und Umwelt und Medizin, alles sehr lesenswerte Beiträge.
Dem heutigen Thema entsprechend möchte ich mich auf die Biotechnologie konzentrieren. Basierend auf dem fortgeschrittenen Stand der methodischen Entwicklung in der Biotechnologie möchte ich die Behauptungen wagen, daß
die Biotechnologie


Im vergangenen Jahrzehnt wurden die Methoden der Anzucht von Mirkoorganismen, von tierischen und pflanzlichen Zellen, der Gewebekultur, und der Regenration von ganzen Pflanzen aus Einzelzellen oder Gewebeteilen erheblich verbessert. Parallel wurden die Methoden der Gen - Isolierung verfeinert und eine Vielzahl von Vektoren für den Gen - Transfer
für Pflanzen und Tiere entwickelt. Dieses methodische Repertoire steht heute zur Verfügung und wird in der biologischen Forschung auch in Zukunft unverzichtbar sein.

Auf der anderen Seite kann dieses Know- How natürlich auch bei der Lösung handfester Probleme eingesetzt werden.
Auf diese anwendungsrelevante Seite der Biotechnologie möchte ich im folgenden näher eingehen und mit ausgewählten Beispielen darlegen, wie Biotechnologie Medizin, Landwirtschaft und Umwelt beeinflusssen und weite Teile der heutigen Industrielandschaft verändern wird.


1) Medizin und Gesundheit:

Bereits heute wird eine Vielzahl von Pharmaka in genetisch bezw. gentechnisch veränderten Mirkoorganismen produziert. Dieser Trend wird sich ebenso fortsetzen, wie die Weiter- und Neuentwicklung von gentechnischen Diagnose-Kits.

Designer-Drogen stehen auf dem Programm mancher Firmen.
Besonders interessant wird die Entwicklung neuer Kontrazeptive sein. Bei Frauen zeichnet sich hier eine größere Vielfalt von Möglichkeiten des Eingriffs in den Zyklus ab, dennoch werden die Entwicklungen für entsprechende Präparate für den Mann verstärkt weitergetrieben, etwa der Entwicklung von injizierbaren Androgenen mit Progestin. Dies ermöglicht neue Ansätze der Geburtenkontrolle und eröffnet damit neue Beiträge zur Reduktion des globalen Bevölkerungswachstums. Weitere Ansätze in diesem Bereich sind Entwicklungen von Vakzinen für beide Geschlechter, die etwa 1 Jahr effektiv sind und anderes mehr.

Mir scheinen jedoch einige andere Entwicklungen auf dem Gebiet der Biotechnologie für die Medizin und Gesundheit des Menschen von viel größerem innovativem Potential: künstliche Organe, und Gentherapie.


Künstliche Organe:

"Engeneering" künstlicher Gewebe ist die natürliche Folge der Behandlung von Verletzungen bezw. Krankheiten, wobei die Ingenieure dieser Gewebe die körpereigenen Zellen sind.
Millionen von Leuten verlieren jährlich durch Unfälle, Krankheiten oder Erbschäden Organe. In den letzten Jahrzehnten wurden zur Verbesserung der Lebensbedingungen dieser Patienten neue Medikamente "designed", chirurgische Verfahren verbessert oder medizinische Hilfen entwickelt. Immunsuppressive Medikamente wie Cyclosporine und Tacrolimus verhindern die Abstoßung von transplantiertem Gewebe; weniger invasive chirurgische Techniken, wie Laparoskopie reduzieren traumatische Verletzungen; Dialyse und Herz-Lungen Maschine erhöhen die Überlebenschancen entsprechender Patienten.

Dennoch sind alle diese Verfahren nicht perfekt und beeinflussen oft die Lebensqualität der Patienten.
Hier zeichnen sich neue Entwicklungen ab, die zur Normalisierung des Lebens der Patienten beitragen werden.
Viele Strategien auf dem Gebiet des "Gewebe- engeneering" basieren auf der Manipulation ultrareiner, biologisch abbaubarer Polymere, die als Substrate für Zellkulturen und Implantationen in Frage kommen. Diese Polymere zeichnen sich durch beträchtliche mechanische Beanspruchbarkeit und durch ein hohes Verhältnis von Oberfläche zu Volumen aus. Viele dieser Polymeren leiten sich von abbaubaren chirurgischen Nähseiden ab, die bereits vor Jahrzehnten entwickelt wurden. Computer-unterstützter Design und entsprechende Fabrikationsmethoden erlauben nun diese Plastikmaterialien zu einen Gerüst zu formen, das die Struktur des zu ersetzenden Organs nachempfindet. Dieses so aufgebaute Organ-Gerüst kann mit geeigneten körpereigenen Zellen beimpft werden. Mit fortschreitender Zellteilung wird das Plastikgerüst langsam abgebaut, so daß am Ende nur zusammenhängendes Organgewebe übrig bleibt. Das neue "künstliche" Organ kann nun dem Patienten implantiert werden, ohne daß Abstoßung zu befürchten ist, da es sich um die Übertragung körpereigener Gewebe handelt.

Eine derartige Strategie, das ist ein Design einer künstlichen tierischen Herzklappe unter Verwendung von Zellen, die aus den Blutgefäßen eines Schafes stammten, war bereits erfolgreich. Ebenso konnte in den letzten Jahren menschliche Haut auf polymeren Substraten gezogen werden, die dann später Verbrennungspatienten übertragen werden konnte.
In Zukunft wird ein Design ganzer Organe, wie Nieren und Leber vielleicht möglich werden, ebenso wie die Anfertigung ganzer Extremitäten, also komplexer Strukturen, die aus einer Vielzahl von Geweben bestehen. Die Möglichkeiten, die diese Technologie beinhaltet sind fast unabsehbar. Sicherlich sind noch viele Probleme zu lösen, bevor an einen routinemäßigen Einsatz gedacht werden kann. Der Trend zur Nutzung artifizieller Organe ist jedoch unverkennbar.


Gentherapie:

Bei der Gentherapie geht es in erster Linie um die Behebung von Krankheiten oder erblichen Defekten durch die Übertragung geeigneter Gene in somatische Zellen, zur Behebung biochemischer Ausfälle.
Die technologischen Voraussetzungen für Eingriffe in das menschliche Erbgut sind gegeben.

Mit der Entwicklung der Gentherapie hat die Wissenschaft das Spektrum der Heilungsmöglichkeiten von Krankheiten, die anderweitig nicht oder nur mit erheblichen Nebenwirkungen kurierbar sind, stark erweitert. Oft liegt in der Genübertragung die alleinige Heilungschance. Eine der ersten Patienten, Ashanti DeSilva, litt an SCID, einer schweren Form erblicher Immundefizienz. Im Alter von vier Jahren wurde das Mädchen durch die Übertragung des Adenosindeaminase-Gens in den USA therapiert. Heute, mit neun Jahren, kann Ashanti altersgemäß leben. Die Liste der durch Genübertragung therapierbaren Erbkrankheiten, aber auch von Tumoren steigt ständig. Derzeit sind in den USA mehr als ein Dutzend Erkrankungen bereits in der klinischen Praxis. Sie reichen von der eben beschriebenen SCID über Hämophilie bis zur zystischen Fibrose, um nur einige zu nennen.

Die Forschung hat hier eine Option geschaffen, die der frei entscheidende Bürger nutzen kann. In unserem Land wird die Selbstkontrolle der Wissenschaft durch Kommissionen, die ethische Fragen des anstehenden Eingriffs bewerten, durch rechtliche Vorgaben und durch öffentliche Diskussion unterstützt.
Es kann die Voraussage gewagt werden, daß auch in der Bundesrepublik somatische Gentherapie spätestens im nächsten Jahrzehnt ein Bestandteil des medizinischen Repertoires sein wird, denn die Eingriffe sind für den Patienten wenig belastend.


Medizin in den Entwicklungsländern
:

Das Wachstum der Bevölkerung in den Entwicklungsländern ist nach wie vor besorgniserregend hoch. Die Versorgung der Menschen in diesen Regionen mit Nahrungsmittel und Medikamenten ist äußerst schlecht. Aufgrund mangelnder Infrastrukturen ist eine auch nur halbwegs zufriedenstellende Versorgung mit Medikamenten in diesen Regionen nicht oder nur sehr schwer möglich. So ist die Behandlung diarrhoetischer Erkrankungen, die ganz erheblich zur Kindersterblichkeit beitragen, ebenso schwierig, wie die Impfung großer Teile der Bevölkerung gegen andere Erkrankungen. Im Wesentlichen sind es die fehlenden Kühlketten, die Therapie und Prävention verhindern.
Hier könnten biotechnologische oder besser gentechnologische Maßnahmen Abhilfe schaffen.

Oral applizierbare Antigene zur Immunisierung bezw. oral appplizierbarer Antikörper zur Therapie intestinaler Erkrankungen könnten genutzt werden, ohne daß neue Infrastrukturen aufgebaut werden müßten.
Wie soll das geschehen?
Oral applizierbare Antigene und Antikörper:
Durch Schluckimpfungen konnten in der westlichen Welt Krankheiten, wie z.B. Polio, unter Kontrolle gebracht werden. Aber auch die Therapie anderer viraler Erkrankungen (z.B.Rotaviren), die den Intestinaltrakt betreffen und Diarrhoen auslösen, könnte derart angegangen werden. Dieses Prinzip sollte auch in den Entwicklungsländern genutzt werden können. Es gilt demnach, oral applizierbare Antigene in einer "Verpackung" zu verabreichen, die nicht erst den Aufbau von Verteilungssystemen oder Kühlketten benötigt.

Gentechnologisch ist es heute möglich, z.B. Proteine in Pflanzen, die roh verzehrt werden, zu produzieren. Man könnte etwa Gene für die Synthese bestimmter Oberflächenantigene in Bananen, Karrotten, Cassava oder anderen zur Expression bringen und diese transgenen Früchte oder Pflanzen dann roh verzehren. Dies wäre analog der herkömmlichen Schluckimpfung.

Wichtig ist, daß hierfür nur Pflanzen verwendet werden, die den Bewohnern der Entwicklungsländer vertraut sind.
Analog könnte mit in-vitro maßgeschneiderten einkettigen Antikörpern, die
z. B. gegen Oberflächenantigene von Bakterien gerichtet sind, verfahren werden. Ausprägung derartiger Konstrukte in geeigneten Pflanzen könnte so eine orale Therapie intestinaler Erkrankungen ermöglichen.
In beiden Fällen handelt es sich um transgene Pflanzen, die zweifellos, auf Grund des komplexen Know-Hows nur in den Industrieländern hergestellt werden können. Dieses Know-How existiert zwar bei uns in NRW und in anderen Bundesländern, wird aber nicht genutzt, da die Herstellung derartiger Produkte offensichtlich keinen Markt für die heimische Industrie darstellt.


Daher folgender Vorschlag
:

Eine Einrichtung für "Angewandte Biotechnologie" wird etabliert, in der maßgeschneiderte Produkte (transgene Pflanzen) für die Entwicklungsländer hergestellt werden. Die Mittel hierfür entstammen der Entwicklungshilfe und werden so im Lande gehalten. Sie schaffen Arbeitsplätze für junge Leute und halten diese Spezialisten, deren Abwanderung derzeit zu beobachten ist, im Lande.
Die Produkte können dann durch die Entwicklungshilfe in den Zielländern verteilt werden.

Die Entwicklung der transgenen Pflanzen soll zusammen mit Experten aus den Entwicklungsländern angegangen werden. Dies stellt sicher, daß tatsächlich nur die geeigneten Pflanzen der Zielländer benutzt werden, und daß auch ein Know-How-Transfer in diese Länder stattfindet.
Diese zunächst mit öffentlichen Mitteln operierende Institution ("Angewandte Biotechnologie") entwickelt dabei soviel Know-How auf dem neuen Gebiet, daß dann auch Aufträge von der einheimischen mittelständigen Industrie zu erwarten sind. Die hiesige mittelständigen Unternehmen sind auf sich alleine gestellt wenig konkurrenzfähig gegenüber den großen Konzernen und bedürfen daher einer Institution, die zentral ihre Interessen wahrnimmt und für sie verwendbare Produkte herstellt. Auf längere Sicht könnte die "Angewandte Biotechnologie" ganz von den Unternehmen betrieben werden.



2) Ernährung:

Eine weitere wichtige Komponente zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Weltbevölkerung ist deren ausreichende Versorgung mit Nahrungsmittel.


Entwicklungsländer:

Nach wie vor wächst die Weltbevölkerung exponentiell. Hieraus resultiert eine Vielzahl von Problemen, deren Lösung eine Herausforderung auch an die Wissenschaft darstellt. Gesundheit und Nahrung für alle könnte eine Forderung der Menschheit sein, für deren Erfüllung die wissenschaftlichen Erkenntnisse und technologischen Errungenschaften insbesondere der hochtechnisierten Nationen unerläßlich sind. Die Komplexität der obigen Forderung wird unter anderem dadurch deutlich, daß der Fortschritt bei der Nahrungsmittelproduktion durch das Populationswachstum überkompensiert wird. Maßnahmen zur weiteren Steigerung der Nahrungsmittelproduktion sind daher unerläßlich. Methoden der Biotechnologie einschließlich der Gentechnologie könnten hierbei einen wesentlichen Beitrag liefern, etwa durch die Herstellung von krankheitsresistenten Nutzpflanzen, die an die Biotope bestimmter Entwicklungsländer angepaßt sind. Jährlich geht etwa ein Drittel der Welternte durch Insekten, Krankheiten und Unkräuter verloren. Die einzelnen Anteile der Verluste sind bei den verschiedenen Kultursorten recht unterschiedlich. So gehen z.B. durch virale Erkrankungen bei Maniok in Afrika etwa 40% und gelegentlich bis zu 95% der Ernte verloren. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen und technologischen Projekten, die der Ernährungssicherheit in den besonders vom Hunger bedrohten Weltregionen dienen, könnte aufgelistet werden. Durch Anbau von resistenten Sorten könnten die derzeit, insbesondere durch viröse Erkrankungen bedingten Ernteverluste in den Entwicklungsländern erheblich reduziert werden.

Es ist Sache der Wissenschaft, die Grundlagen für ein derartiges Programm zu legen, Verteilung und Implementierung der Sorten in den Entwicklungsländern müßten aber von der Politik sichergestellt werden.
Trotz der limitierten Mittel des Bundes könnten derartige Vorhaben, wie bereits vorhin dargelgt ("Angewandte Biotechnologie") ohne Weiteres im Rahmen der Entwicklungshilfe finanziert werden.

Während in den Entwicklungsländern die Ausrichtung der Landwirtschaft in der Nahrungsmittelproduktion ganz auf Ertragshöhe und Ertragssicherheit ausgerichtet sein muß, stehen bei uns andere Ziele im Vordergrund.


Westliche Welt
:

Neben Verbesserung der Züchtungsverfahren selber, wie etwa der Einführung von Hybridsaatzucht bei verschiedenen Kultivaren und DNA-Marker-unterstützter Selektion zur Beschleunigung von Zuchtgängen, werden qualitative Verbesserungen der Nahrungsmittel im Vordergrund stehen. Die Übertragung von Genen zur Verbesserung der Sorten und der Anbau der transgenen Linien wird hierbei eine wichtige Rolle spielen.

Gentechnologisch veränderte Sorten werden unsere Nahrungsmittel sicherer machen, insbesondere etwa für Allergiker. Dies zum einen, weil nun erstmals die Möglichkeit besteht, in Pflanzen, die Allergien auslösen, gentechnologisch die Ausprägung des entsprechenden Gens durch anti-sense Strategie zu unterdrücken und somit die Pflanzen vom Allergen zu befreien.
Dies ist bei Reis bereits gelungen
.

Im Gegensatz zum freien Verkauf von exotischen Früchten hierzulande, die die einheimische Bevölkerung mit hunderten neuer Allergene konfrontiert, werden transgene Pflanzen viel weitgehender als konventionelle Sorten auf ihre Eigenschaften hin überprüft Die Überprüfung sollte auch das allergene Potential des übertragenen Gens beinhalten. In so fern macht Gentechnik unsere Nahrungsmittel sicherer.
Neben transgenen Pflanzen werden auch viele andere gentechnisch veränderten Organismen in unserer Nahrungsmittel Produktion eingesetzt werden.
Die Beschaffung von Chymosin zur Käseherstellung ist bereits ein Problem, da nicht genügend Kälber zur Verfügung stehen. Chymosin kann in transgenen Mikroorganismen in beliebiger Menge, ohne Tiere schlachten zu müssen und äußerst rein produziert werden, dank Gentechnik. In Großbritannien wird die Majorität des Käses bereits mit gentechnisch hergestelltem Chymosin produziert. Ähnlich ist die Situation bei der Herstellung von Bier unter Nutzung gentechnisch veränderter Hefen.

Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen zur Produktion von Nahrungsmittel wird weiter zunehmen, seien es transgene Pflanzen oder gentechnisch optimierte und in der Prozessierung der Ausgangsstoffe eingesetzten Mikroorganismen.

Ändern wird sich die Landwirtschaft im 21. Jahrhundert und durch ihre Produkte wird auch die Industrielandschaft anders werden.



3) Landwirtschaft und Umwelt:

Die hohen Erträge der Landwirtschaft in Europa und Nordamerika werden durch den Einsatz von Hochleistungssorten, den Anbau von Monokulturen und den hohen Einsatz von Agrochemikalien erzielt. Dies führt zu einer Reihe von unerwünschten Nebenwirkung, wie Reduktion der Biodiversität, Bodenerosion und ökologische Belastung der Böden.
Die Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts wird dies zu vermeiden suchen, ohne jedoch ihre Leistungsfähigkeit einzubüßen.
Daher wird der Aufbau einer hochintensiven, aber ökologisch weniger
belastenden Landwirtschaft angegangen werden müssen.
Hierfür liefert die Gentechnologie wichtige Bausteine. Derzeit sind eine Reihe von Sorten mit entsprechenden Eigenschaften im Feldtest und die ersten transgenen Sorten kommen bereits auf den Markt, die für dieses Szenario geschaffen sind.


Viele dieser sogenannten Totalherbizide haben eine kürzere Verweildauer im Boden und sind daher ökologisch weniger belastend als die klassischen Substanzen. Sie können allerdings nicht ohne weiteres im Anbau genutzt werden, da sie neben den Unkräutern auch den Kultivar abtöten würden. Durch die Übertragung bakterieller Gene wurden eine Reihe von Kultursorten bereits tolerant gegenüber verschiedenen Totalherbiziden gemacht. Diese Herbizide können nun auch in der Saat angewandt werden, da der Kultivar durch ein entsprechendes Gen vor der Wirkung der Substanz geschützt ist. Dies ermöglicht den gezielteren Einsatz dieser Mittel. Sollten die Unkräuter den Kultivar nachteilig beeinflussen, dann ist der Einsatz dieser Herbizide angezeigt.
Dies spart dem Bauern Geld und reduziert die Menge der ausgebrachten Herbizide und entlastet somit die Böden und das Ökosystem.

Der Trend, Pflanzen durch die Übertragung geeigneter Gene besser auszustatten, so daß sie vor Krankheiten geschützt und gegen Wildformen kompetetiver sind, wird sich weiter fortsetzen. Der Anbau derartiger transgener Sorten wird zu einer erheblichen Reduktion des Aufwands an Agrochemikalien führen und somit die Böden weniger belasten, ohne die Produktivität der Landwirtschaft zu gefährden.

Ein weiteres Kapitel, das sich mit Beiträgen der Bio- und Gentechnik zu Umweltfragen befaßt, soll, obwohl wichtig und zukunftsträchtig, hier infolge der Kürze der Zeit, nur mit Schlagworten belegt werden.


Im folgenden möchte ich jedoch auf viel weiterreichende Möglichkeiten aufmerksam machen, die zu einer erheblichen Umstrukturierung unserer Industrielandschaft führen könnten.


4) Neue Industrielle Ressourcen:

Erdöl ist zweifellos einer der wichtigsten Rohstoffe unserer Zivilisation.

Als Energiequelle genutzt oder als Ressource für chemische Produktion.

In beiden Bereichen treten Probleme auf.
Bei der Verbrennung entsteht CO2 als Treibhaus-relevantes Gas.
Die fortgesetzte Entlassung dieses Gases in die Atmosphäre bei gleichzeitiger Reduktion der Fixierung von CO2 in der Photosynthese durch die Abholzung der Wälder, aber auch durch die Zerstörung der CO2-bindenden Reaktionen in den Meeren führt zu einer Verschiebung des natürlichen CO2-Gleichgewichtes zwischen Atmung und Photosynthese, so daß eine Erhöhung der CO2 Konzentration in der Atmosphäre zu erwarten ist, die zu einer Temperaturerhöhung führen könnte.

Zur Abwendung dieses Problems sind eine Vielzahl von Maßnahmen notwendig, wobei allerdings die Beiträge der Bio-oder Gentechnologie weniger prominent ausfallen.

Ganz anders ist die Situation im Falle der Nutzung von Erdöl als Ausgangsstoff für die Produktion von Chemikalien. Gegenwärtig wird Erdöl in riesigen Industrieanlagen in seine Bestandteile zerlegt, um die geeigneten Fraktionen dann für die Synthese andere Chemikalien nutzen zu können. Derartige Raffinerierung ist aufwendig und daher teuer, unabhängig von der Tatsache, daß Deutschland keine nennenswerte Erdölproduktion besitzt und daher auf Importe angewiesen ist.
Gentechnologie erlaubt heute bereits eine Reihe von industriell interessanten Rohstoffen in Pflanzen zu produzieren.
Dies soll im folgenden erläutert werden.


Öle und Fettsäuren
:

Pflanzen produzieren in der Regel Gemische von Ölen bezw. Fettsäuren in einzelnen Speicherorganen, z.B. enthält Raps 40-50% Öl (das sind Verbindungen aus Glycerin und Fettsäuren, die bei Zimmertemperatur flüssige Konsistenz haben) in seinen Samen. 60% des Rapsöls bestimmter Sorten besteht aus Ölsäure (C18:1).
Rapsöl wird hauptsächlich für Speiseöl, Backfett, Margarine, aber auch für technische Zwecke verwendet.

Die Eigenschaften der Öle werden durch die Kettenlängen der Fettsäuren, den Anteil der ungesättigten Fettsäuren und die Zahl und die Stellung der ungesättigten Doppelbindungen bestimmt. Das erucasäurehaltige Öl (C22:1) wird für technische Zwecke z.B.in der Waschmittel- und Kunststoffherstellung verwendet. Erucasäurefreies Öl findet als Nahrungsmittel in Form von Salatöl und Margarine Verwendung. Es soll einen möglichst hohen Gehalt an der essentiellen, 2-fach ungesättigten Linolsäure (C18:2) und zugunsten einer besseren Haltbarkeit wenig 3-fach ungesättigte Linolensäure (C18:3) aufweisen. Schmierstoffe auf der Basis von erucasäurefreiem Rapsöl zeichnen sich durch hohe Viskosität und gute biologische Abbaubarkeit aus. Erucasäurefreie Sorten wurden durch die klassische Züchtung bereits entwickelt.
Gentechnisch kann dieses System jedoch soweit verändert werden, daß eine Vielzahl von neuen Ausgangsstoffen für industrielle Produktion bereitgestellt werden kann.

Die Mehrzahl der 210 bislang beschriebenen Fettsäuretypen, die von Pflanzen mit Hilfe der Sonnenenergie hergestellt werden, sind wirtschaftlich ungenutzt, da sie in Wildpflanzen vorkommen. Die Strategie, den Fettsäurebiosyntheseweg dieser Pflanzen in leicht anbaubare Rapssorten zu verlegen, ist daher höchst attraktiv.

Eine breite Palette von Genen der Fettsäurebiosynthese wurde bereits gentechnisch isoliert. Mit zunehmender Vervollständigung der Palette wachsen die Möglichkeiten die oben erwähnten Parameter und dadurch die Eigenschaften der pflanzlichen Öle zu variieren. Nicht nur daß die von der transgenen Pflanze produzierten Öle dem Nutzungszweck angepaßt, also "designed" sind, sie können auch in ausreichenden Menge z.B. in den Samen produziert werden, so daß aufwendige Reinigungen, wie sie etwa bei Erdöl als Rohstoffquelle notwendig sind, verinfacht werden.

Transgene Rapspflanzen mit hohen Anteilen an mittelkettigen Fettsäuren, wie Laurinsäure (C12:0) und Caprinsäure (C10:0) wurden bereits gentechnisch hergestellt. Die übertragenen Gene entstammen Pflanzen, die oft nur schwer oder gar nicht in unseren Breiten angebaut werden können.
Mittelkettige Fettsäuren werden z.B. als Tenside in der Waschmittel Industrie verwendet.

Der Anbau entsprechender transgener Rapssorten ist für unsere Bauern kein Problem und würde die Landwirtschaft auf ein neues Standbein stellen, unter der Voraussetzung, daß die weiterverarbeitende Industrie der chemischen Unternehmen für die Abnahme des Materials auch bereitstünden.


Neuartige Stärken
:

Die Situation bei anderen Polymeren, z.B. der Stärke scheint analog zu der Situation der Fettsäuren zu sein. Auch hier produzieren die Pflanzen in aller Regel Gemische in ihren Speicherorganen, wie etwa der Kartoffelknolle. Die Komponenten der Gemische müssen von der weiterverarbeitenden Industrie oft mühsam getrennt werden. Hier eröffnet die Gentechnik die Möglichkeit transgene Kartoffel zu "designen", die entweder nur gradkettige oder nur verzweigtkettige Stärken enthalten. Dies entscheidet über die industrielle Nutzung.

Die unverzweigte Amylose wird z.B. zur Erhöhung der Festigkeit in Polymeren genutzt, wohingegen das verzweigtkettige Amylopektin hohe Kleb- und Bindekraft besitzt.

In Zukunft könnte auch die gentechnische Manipulation der Kettenlänge, die chemische Natur der Kohlenhydrate wie auch die Art der Verzweigung eine Rolle spielen. Dies ist sicherlich noch eine Herausforderung an die Wissenschaft eröffnet aber potentiell ein völlig neues Betätigungsfeld industrieller Bemühungen. Die Erwartung ist, daß die hieraus resultierenden Polymere biologisch abbaubar sind und daher keine ökologische Belastungen darstellen.

In Folge der fortgeschrittenen Zeit sollen die Möglichkeiten der Veränderungen des Intermediärstoffwechsels von Pflanzen oder pflanzlicher Zellkulturen zur Produktion von pharmakologisch wirksamen Substanzen nicht weiter diskutiert werden, vielmehr soll ein letztes, weil, wie ich meine, spektakuläres Beispiel meine Ausführungen abrunden.


Biologisch abbaubares Plastik
:

Polyhydroxybuttersäure (PHB) ist ein thermisch verformbares und biologisch abbaubares Plastik. Dieses Polymer wird von einigen Bakterien z.B. von Alcaligenes eutrophus mit Hilfe von drei Enzyme, die bereits isoliert wurden, synthetisiert. Nach entsprechenden Veränderungen und der Übertragung dieser modifizierten Gene in Pflanzen wurde die Bildung von PHB in den Transgenen beobachtet.

Vorteil des Verfahrens: stehen die transgenen Pflanzen einmal zur Verfügung, dann ist der energetische Aufwand zur Herstellung des umweltfreundlicheren PHBs, da durch Sonnenenergie ermöglicht, relativ gering.
Analog zu dem Fettsäure Modell ist auch bei diesen biologisch abbaubaren Polymeren eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten, wie Kettenlänge des Polymers, Art der zu polymerisierenden Säure, Art und Zahl der Verzweigungen möglich.

Die Möglichkeiten der Nutzung derart "designter" Pflanzen ist eine Herausforderung an die Industrie und eröffnet den Bauern ein neues Betätigungsfeld.



5) Schlußbemerkungen:

Einige Trends der Bio- und Gentechnologie wurden kurz dargestellt.
Die Antwort auf die offenkundige Frage nach der Beteiligung von NRW und der Bundesrepublik an diesen Entwicklungen ist sehr ernüchternd:
Forscher unseres Landes haben erhebliche Beiträge bei der Erarbeitung der Grundlagen für diese Entwicklungen geleistet. Bei der Nutzung dieses Know-Hows befinden wir uns allerdings eher auf dem Stand eines Entwicklungslandes.

Dies hat Konsequenzen für die Wissenschaft, denn die jungen Leute, deren Gehirne im Wissenschaftsprozeß so wichtig sind, bleiben aus. Junge Leute, die keine Job- Möglichkeiten sehen, da ein Engagement der Industrie nicht im breiten Maß festzustellen ist, nehmen erst gar kein entsprechendes Studium auf.

Junge Wissenschaftler verlieren entweder ihre Motivation oder wandern aus ähnlichen Gründen aus und so langsam verabschiedet sich bundesdeutsches Know-How aus der innovativen Wissenschaft, wenn nicht radikale Verbesserungen in der Anwendung dieses Know-Hows bald sichtbar werden.
So wird es notwendig werden, neue Ziele zu definieren, die als Herausforderung an Wissenschaft und die Nutzung ihrer Erkenntnisse zu sehen sind.
Ich begrüße daher ganz ausdrücklich das "Statement" von Minister Rüttgers bis zum Jahre 2000 die Nummer 1 in Biotechnologie in Europa sein zu wollen. Ebenso inspirierend scheint mir der BioRegio Wettbewerb zu sein, der erstmals eine konzertierte Aktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im großen Stil einläutet und für unser ganzes Land eine Herausforderung darstellt.

All das ist zu begrüßen, wird allerdings nur von Erfolg gekrönt sein, wenn auf Dauer die Nutzung der zukunftsträchtigen Bio- und Gentechnologie auch Unterstützung durch die Öffentlichkeit erfährt.
Dialoge zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit könnten hier weiter helfen und werden in diesem Bundesland u.a. durch die BioGenTec Initiative, die von der NRW Landesregierung unterstützt wird, geführt, allerdings könnte ein höheres Engagement der wissenschaftlischen Community auch hierbei hilfreich sein.

Wir sollten nicht vergessen, daß Wissenschaft eine wichtige Komponente unserer abendländischen Kultur ist und ihre Förderung und Nutzung eine Notwendigkeit unserer Zukunftssicherung darstellt.


Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de