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Evolution der Xylemelemente


Tracheiden sind für die meisten Pteridophyten und Gymnospermen typisch, die Tracheen (Gefäße) für die Angiospermen und die hochentwickelten Gymnospermen, z.B. für die Gnetales. Tracheen mit anderer Entstehungsgeschichte findet man bei Pteridium (einem Farn), Equisetum (Schachtelhalmen) und in Wurzeln einiger Arten von Marsilea (Wasserfarn). Tracheen fehlen im primären Xylem einiger primitiver Angiospermen (Arten aus den Familien Winteraceae, Monimiaceae, Chloranthaceae, Tetracentraceae [I. W. BAILEY, 1944]). Wie schon erwähnt, gibt es gute Hinweise darauf, daß sich die Tracheen von den Tracheiden ableiten. Ferner wurde bereits darauf hingewiesen, daß auch die Xylemfasern als umgewandelte Tracheiden anzusehen sind.

Die Evolution vielzelliger terrestrischer Pflanzen erforderte die Ausbildung von Stütz- und Leitgeweben. Beide Funktionen (Stützen und Leiten) können am besten von gestreckten Zellen erfüllt werden, doch lassen sie sich in einem weiteren Punkt nur schwer vereinbaren: Die Stützfunktion erfordert nämlich die Ausbildung möglichst dicker und damit stabiler Zellwände, während die Leitfunktion Durchlässigkeit der Wände erfordert. Gelöst wurde das Paradoxon zunächst durch ein Nebeneinander von verstärkter Zellwand mit Tüpfeln in einer Zelle (in Tracheiden). Doch für eine Entwicklung großer Landpflanzen (Bäume mit hoher Transpirationsrate) reichte dies nicht aus und es kam daher im Laufe der Evolution zu einer Trennung von Stütz- und Leitfunktionen. Xylemfasern können als Derivate der Tracheiden angesehen werden. Ihre Wand ist stabiler als die der Tracheiden, die Leitfunktion ging weitgehend verloren; parallel dazu trat die Stützfunktion bei den Tracheiden in verstärktem Maße in den Hintergrund, sie spezialisierten sich fortschreitend auf die Leitfunktion.

Bliebe jetzt noch die Frage nach den entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen zwischen den Tracheiden und den Tracheen (Gefäßen) zu klären. Neben der Annahme, daß sich die Gefäße von den Tracheiden ableiten, wäre denkbar, daß sie unabhängig voneinander entstanden sind. Zu Beginn der dreißiger Jahre lag genügend Beobachtungsmaterial vor, um zwischen den beiden Hypothesen zu entscheiden. In voneinander unabhängigen Untersuchungen konnten die Amerikaner F. H. FROST (1930/31) V. I. CHEADLE und I. W. BAILEY (in den vierziger und fünfziger Jahren) die Richtigkeit der ersten Annahme beweisen. Die Beweisführung beruht auf logisch nachvollziehbaren Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine direkte genetische Verwandtschaft zwischen den zwei Strukturen sicherzustellen. Mindestens zwei der Voraussetzungen konnten bei der vergleichenden Analyse von Tracheiden und Gefäßen als erfüllt angesehen werden:

  1. Unter der Annahme, daß eine der Strukturen primitiver als die andere ist und beide durch das gleiche genetische Programm determiniert werden, müßte man in der abgeleiteten (weiterentwickelten) Struktur Eigenschaften bzw. Merkmale finden, die für die primitivere Form typisch sind. Wäre das nicht der Fall, müßte die Annahme, daß zwischen beiden eine genetische Verwandtschaft besteht, verworfen werden, es sei denn, beide Strukturen hätten sich seit der Trennung so stark auseinanderentwickelt, daß alle Gemeinsamkeiten verlorengegangen sind. Dazu die Ergebnisse von Beobachtungen an Tracheiden und Gefäßen:

    • Wände primitiver Tracheiden (z.B. die der Pteridophyten) sind meist durch runde oder längliche, schwach oder gar nicht behöfte Tüpfel durchbrochen; an den Zellenden sind diese zu Tüpfelfeldern vereint. Ähnliche Anordnungen findet man bei vielen Gymnospermen. Oft kommen dort übereinanderliegende, rillenförmige Tüpfel vor. Diese Anordnung ähnelt in vielerlei Hinsicht den scaliformen (leiter- oder treppenförmigen) Perforationen (= Perforationsplatten) der Gefäße. Der wesentliche Unterschied liegt im Vorhandensein der Mittellamelle (Schließhaut) bei den Tracheiden und ihrem Fehlen bei den Gefäßen.

    • Perforationsplatten sind für primitive Angiospermen typisch, eine vollständige Auflösung der Endwand für weiterentwickelte Taxa. Ein Nebeneinander beider Formen ist häufig.

    Die Tracheiden besitzen keine deutlich ausgeprägte Endwand. Sie fehlt auch den primitiven Gefäßen. Mit fortschreitender Vervollkommnung tritt sie (während der Ontogenese !) in immer stärkerem Maße in Erscheinung.

  2. Wenn ein bestimmtes Merkmal als primitiv angesehen werden kann, so ist es wahrscheinlich, daß andere mit ihm sehr eng assoziierte Merkmale ebenfalls als primitiv zu gelten haben.

    • Tracheiden sind dünne, langgestreckte Zellen, Tracheen bestehen aus kurzen, weitlumigen. Dennoch: zahlreiche Übergänge kommen vor. Je länger die Tracheenelemente sind, als desto primitiver können sie gelten. Ihre Wände sind fast immer getüpfelt. Tüpfelfelder mit runden Tüpfeln sind als primitiv einzustufen, scalariforme Perforationen als weiter fortgeschritten und ein völliger Durchbruch als vorläufige Endstufe der Entwicklung von den Tracheiden zu den Tracheen. Mit der Erweiterung des Zellumens ging eine Verstärkung der Sekundärwand einher.

    • Unabhängig von dieser Entwicklung verlief die Evolution der Hoftüpfel. In Tracheiden der Farne und Angiospermen sind sie relativ einfach konstruiert, bei den rezenten Gymnospermen hoch entwickelt.


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de