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Die lachsrote Petunie

Wissenschaftliche Erkenntnisse durch Grundlagenforschung

Originalquelle: http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~rsaedler/MPIZaktuell/Petunie/Petunie.html


Petunien sind beliebte Zierpflanzen, die sich durch ihren Blütenreichtum auszeichnen. Das MPIZ hat mit Hilfe der Gentechnik eine Petunienlinie mit einer neuen Blütenfarbe entwickelt. Über die wissenschaftlichen Vorarbeiten berichtete erstmals 1987 das britische Fachjournal Nature (1). 1990 und 1991 waren die "lachsroten Petunien" Gegenstand der ersten Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Ein reges nationales und internationales Medieninteresse begleitete die Experimente.

Entwicklung der neuen Petunienlinie

Rot und blau sind für Petunien typische Blütenfarben. Diese beruhen auf den Farbstoffen Cyanidin und Delphinidin. Es gibt aber auch weißblühende Mutanten, die aufgrund eines Defektes im Farbstoffwechsel diese Pigmente nicht erzeugen können, wohl aber die hierzu erforderliche Vorstufe (Dihydrokaempferol) besitzen. Aus Mais konnte nun genau das Gen isoliert werden, welches die Information für das notwendige Enzym (DFR) trägt, um diese Farbvorstufe weiterzuverarbeiten. Dieses sogenannte A1-Gen haben die Wissenschaftler dann durch "direkten Transfer" in einzelne Zellen der weißblühenden Mutanten eingeführt und aus solchen "transformierten" Zellen komplette Pflanzen herangezogen.


Die grüne Revolution vor den Toren Kölns
Im nächsten Monat kommen 30.000 gentechnisch
veränderte Petunien aus den Laboratorien aufs freie Feld
8.04.1990

Petunias Survive German
Debate Over Biotechnology
12.04.1990

Zur Blüte zeigte sich das Ergebnis: Das durch das A1-Gen codierte Enzym (DFR) hat eine Lücke im Stoffwechsel der Petunie ausgefüllt. Ein für Petunien neuer lachsroter Farbstoff, das Pelargonidin, wurde in den Blüten gebildet (2).

Schematische Darstellung der Aktivität des A1-Gens aus Mais in einer weißblühenden Petunienlinie: Infolge der Spezifität des A1-Genproduktes, der Dihydroflavanolreduktase (DFR), wird Dihydrokaempferol zu Leukopelargonidin reduziert, das von Petunienenzymen in das lachsrote Pelargonidinpigment umgewandelt werden kann.


Neue Erkenntnisse durch Freilandversuche

Der Freilandanbau dieser gentechnisch veränderten (transgenen) Petunienlinie führte zu einer interessanten Beobachtung: nach intensiver Sonneneinstrahlung und hochsommerlichen Temperaturen wurde das A1-Gen "umprogrammiert". Ein großer Teil der ursprünglich lachsrot blühenden Pflanzen bildete neue Blüten, die nunmehr weiß, schwach gefärbt oder rot-weiß gemustert waren.

DNA-Methylierung und Genaktivität

Methylgruppen haben sich an einzelne Cytosin-Bausteine der DNA des A1-Gens in dem Bereich angelagert, der für die Regulation der Aktivität dieses Gens verantwortlich ist (Promotor). Das Gen konnte somit nicht mehr abgelesen werden. In gescheckten Blüten der transgenen Petunien existierten somit Zellen (rot), in denen der Promotor offensichtlich noch funktionierte und andere Zellen (weiß), in denen der Promotor methyliert und somit das A1-Gen "abgeschaltet" war.

Der Mechanismus DNA-Methylierung im Bereich des
35 S-Promotors führt zur Abschaltung des A1-Gens.
Das Gen kann in diesem Zustand nicht abgelesen werden.
Die Zustandsformen eines Gens werden als Allel bezeichnet.

Die Inaktivierung betraf jedoch nicht alle Pflanzen in gleicher Weise, sondern besonders die Nachkommen, die aus dem Samen älterer Pflanzen - also von relativ spät gebildeten Blüten - stammten. Offensichtlich spielt der Mechanismus "DNA-Methylierung" im Hinblick auf die Anpassung der Pflanze an wechselnde Umweltbedingungen eine wichtige Rolle (3).
Mit Hilfe der gentechnisch veränderten Petunie konnte erstmals ein Modellsystem geschaffen werden, wobei anhand eines erkennbaren Merkmals - der Blütenfarbe - die Aktivität eines übertragenen Gens überprüft werden kann.

Einige Blüten der gentechnisch veränderten
Petunien aus dem Freilandversuch im
Sommer 1990 zeigten ein rot-weißes Muster.

Die aus Südamerika stammenden, wärmeliebenden Petunien eignen sich nicht zuletzt deshalb in besonderer Weise für Freilandexperimente, da sie im mitteleuropäischen Raum als "begrenzbares System" angesehen werden können. In der Regel kommt es hier nicht zu Kreuzungen innerhalb der Art sowie zwischen Petunien und verwandten Nachtschattengewächsen. Samen und Keimlinge sind frostempfindlich. Begleitende Untersuchungen haben die Einschätzung bestätigt, daß eine unkontrollierte Ausbreitung transgener Petunien nicht zu befürchten ist (4).

Farbstoffe und Krankheitsresistenz

Der erste Freilandversuch brachte noch eine weitere Entdeckung mit möglicherweise weitreichender Bedeutung: Die transgenen lachsfarbenen Petunien waren widerstandsfähiger gegen verschiedene Pilzkrankheiten als die weißblühenden Mutanten, aber empfindlicher im Vergleich zu den sehr intensiv gefärbten Handelssorten (5).

Prinzip der direkten Übertragung eines Gens auf Pflanzen. Das isolierte A1-Gen aus dem Spenderorganismus (Strukturgen) wird mit einem Promotor verbunden, der für die Steuerung der Aktivität dieses Gens im Zielorganismus verantwortlich ist. Dieser sogenannte 35S-Promotor stammt aus dem Blumenkohlmosaikvirus und ist in höheren Pflanzen sehr wirksam. Das "Genkonstrukt" wird in Protoplasten (zellwandlose Einzelzellen) eingebracht. Um unter vielen Protoplasten diejenigen herausfinden zu können, die das Fremdgen tatsächlich in ihr Genom eingebaut haben, wird zusätzlich ein Resistenzgen gegen das Antibiotikum Kanamycin übertragen. Nach Zugabe von Kanamycin zu dem Nährmedium wachsen nur die Kanamycin-resistenten und damit diejenigen Protoplasten weiter, die auch das gewünschte Strukturgen in ihr Erbgut aufgenommen haben. Diese entwickeln sich durch fortlaufende Zellteilungen zu undifferenzierten Zellaggregaten, den sogenannten Kalli. Durch Zusatz von Pflanzenhormonen werden aus den Kalli schließlich komplette Pflanzen regeneriert.

Damit scheinen sich frühere Untersuchungen zu bestätigen, daß nämlich Farbstoffe (Anthocyane) bzw. deren Zwischenprodukte eine wichtige Schutzfunktion gegen Krankheitserreger und Schädlinge haben können. Unter Umständen eröffnen sich Perspektiven, durch gezielte Genübertragung solche Abwehrmechanismen eingehend zu studieren.
Die Petunienexperimente haben gezeigt, daß Freilandversuche mit transgenen Pflanzen für die Grundlagenforschung ein sehr wichtiges Instrumentarium darstellen, um die Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren und Genaktivitäten besser zu verstehen.

Der Freilandversuch 1990. Deutlich zeigte sich der Einfluß der Hitzeperiode auf die Stabilität des A1-Gens. Vor Beginn der Hitzewelle wiesen noch ca. 92% der Pflanzen eine einheitliche lachsrote Färbung auf. Nach intensiver Sonneneinstrahlung und hochsommerlichen Temperaturen blichen viele lachsrote Blüten aus, wahrscheinlich infolge eines Abbaus des Pigmentes Pelargonidin durch das UV-Licht.
Drei Wochen nach Abklingen der Hitzeperiode wurde
der Umwelteinfluß auf die Ausprägung des A1-Gens
sichtbar. Nur noch knapp 38% der Pflanzen zeigten eine
intensive lachsrote Färbung, während die Genaktivität in
den übrigen Pflanzen mehr oder weniger stark reduziert war.

Literatur:

  1. Meyer, P., I. Heidmann, G. Forkmann und H. Saedler: A new Petunia generated by transformation of a mutant with a maize gene. Nature, Vol. 330 (1987), S. 677-678.
  2. Meyer, P., I. Heidmann, H. Meyer zu Altenschildesche und H. Saedler: Stabilität der Genexpression in transgenen Petunien. BioEngineering, Heft 4 (1991), S. 18-22.
  3. Meyer, P., F., Linn, I. Heidmann, H. Meyer, I. Niedenhof und H. Saedler. Endogenous and environmental factors influence 35S promoter methylation of a maize A1 gene construct in transgenic petunia and its colour phenotype. Molecular General Genetics, Vol. 231 (1992), S. 345-352.
  4. Meyer, P.: Freisetzung transgener Petunien: Ergebnisse des Versuchs und der Begleitforschung. In: Albrecht, S. und V. Beusmann (Hrsg.): Ökologie transgener Kulturpflanzen, Frankfurt am Main und New York 1995, S. 75-81.
  5. Saedler, H., W. Gieffers und P. Meyer: Design of horizontal disease resistance in petunia by transferring the A1 gene of maize., Vorträge Pflanzenzüchtung, Heft 25 (1993), S. 228-241.

Vorschau:

Die Themen unserer nächsten Ausgaben:

MPIZ aktuell 1996/2 beschäftigt sich mit Kartoffeln, die resistent gegen Viren sind und mit dem Freilandversuch 1994.

In MPIZ aktuell 1996/3 geht es um Kartoffeln, die sich gegen Pilze wehren und sich 1996 das erste Mal am Max-Planck-Institut unter Freilandbedingungen bewähren sollten.


Text: Wolfgang Schuchert
Layout: Kurt Stüber, Ellen Peerenboom

Herausgeber:
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
Carl-von-Linné-Weg 10
D-50829 Köln

Nachbestellung von MPIZ aktuell gegen eine Schutzgebühr von 0,50 DM pro Exemplar zuzüglich Porto ab 10 Exemplare schriftlich an oben genannte Adresse oder telefonisch unter
Tel.: 0221 5062 500,
Fax: 0221 5062 513

MPIZ aktuell ist ebenfalls über Internet abrufbar unter
http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~rsaedler/
MPIZaktuell/MPIZaktuell.html
Auf HTML umgeschrieben von R.Saedler

© 1996 W. Schuchert und MPI für Züchtungsforschung


Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de