Originalquelle: http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~rsaedler/MPIZaktuell/VKartoffel/VKartoffel.html
Einzelne Stämme des PVY gelangen nur durch mechanische Verletzung in die Pflanze. Meist sind jedoch Insekten wie die Grüne Pfirsichblattlaus die Übeltäter: Sie übertragen PLRV und PVY, deren Erbgut jeweils aus einer einzelsträngigen Ribonukleinsäure (RNA) besteht. Insekten stechen die Blätter an und saugen den Saft des Phloems. Das ist der Teil des Leitbündels, der die in der Photosynthese produzierten Zucker transportiert. Bei dieser Saugtätigkeit gelangt das Virus durch den Rüssel des Insekts ins Phloem und verteilt sich von dort aus über das System der Leitbahnen und von Zelle zu Zelle in der ganzen Wirtspflanze (Primärinfektion).
Eine Blattlaus saugt an einem Blatt. Sie dringt mit ihrem
Saugrüssel in das Phloem ein und kann Viren übertragen.
Die ersten erkennbaren Symptome gaben dem Kartoffel-Blattrollvirus seinen Namen: Bei einem Befall sind die Blätter infizierter Kartoffelpflanzen längs der Mittelrippe kahnförmig nach oben eingerollt, steif und spröde. Ist die Infektion erst einmal vorangeschritten, läßt sie sich häufig am äußeren Erscheinungsbild nicht mehr erkennen. Eine Infektion von Kartoffeln durch das Kartoffelvirus Y zeigt andere Symptome, die vom jeweiligen Virusstamm und der infizierten Kartoffelsorte abhängig sind.
Symptome des Blattroll-Virus: Vergleich gesunde (rechts) mit infizierter Kartoffelpflanze (links)
Häufig jedoch kommt es zu wesentlich höheren Ertragseinbußen
als bei einer Infektion mit dem Blattrollvirus. Der O-Stamm von PVY (PVYO)
verursacht die Strichelkrankheit. Diese erkennt der Fachmann als
sogenannte Tintenspritzer auf der unteren Blattseite. Die "Strichel"
wachsen später zu einer Nekrose heran: die Zellen sterben örtlich
begrenzt ab, bis schließlich die Blätter abfallen. Von besonderer
Bedeutung ist der schon erwähnte NTN-Stamm (PVYNTN), der Nekrosen an
der Knolle hervorruft.
Pflanze, die von PVY0 befallen ist | Knollen von Kartoffeln, die mit dem PVYNTN-Stamm infiziert sind |
Das Kartoffelvirus X bewirkt eine Scheckung der Blätter, die
wie ein Mosaik aussieht. Es kann ebenfalls durch mechanische Verletzungen,
gelegentlich allerdings auch durch Bodenpilze übertragen werden. Ist
eine Kartoffelpflanze gleichzeitig von diesem und zusätzlich von einem
oder mehreren anderen Viren befallen, dann führt das zu besonders starken
Minderungen des Ertrags.
Alle diese Viren, sowohl PLRV als auch PVY und PVX, überdauern in den
Knollen. Pflanzt man diese Knollen wieder aus, dann zeigen die heranwachsenden
Pflanzen ausgeprägte Schadbilder (Sekundärinfektion). Für
den Landwirt ist es daher sehr wichtig, Pflanzgut zu verwenden, das getestet
und virusfrei ist. Zum Schutz vor Primärinfektionen durch Blattläuse
spritzt er vorbeugend mit Insektenbekämp-fungsmitteln.
Symptome an Pflanzen, die mit PVX befallen sind:
Sie sind im Vergleich zu denen anderer Viren eher mild.
Zwar sind bei der Kartoffel schon einige Gene identifiziert worden, die Resistenzen (Widerstandskräfte) gegen eine Reihe von Viruskrankheiten vermitteln, Resistenzgene gegen das Blattrollvirus sind aber noch nicht bekannt. Gelänge es, Sorten auf den Markt zu bringen, die resistent gegen diese Viren sind, könnten große Mengen an Spritzmitteln eingespart werden: ein Ziel, das ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist.
Zum Schutz der Kulturpflanzen vor Virusbefall entwickelten Wissenschaftler inzwischen gentechnische Strategien. Sie beruhen auf dem Konzept der "Pathogen-vermittelten Resistenz": Pflanzen, die bestimmte Gene eines Krankheitserregers ausprägen, können die Vermehrung dieses Schädlings beeinträchtigen oder sogar verhindern. Mitarbeiter des MPIZ unter der Projektleitung von Dr. Eckhard Tacke testeten auf der Basis dieser Strategie einen gentechnischen Schutzmechanismus, der die Kartoffel durch eine einzige gentechnische Veränderung gegen die beiden wichtigsten Viren (PLRV, PVY) feit (Breitbandresistenz).
Wenn Insekten bei der Aufnahme der Zuckerlösung aus dem Phloem gleichzeitig
Viren übertragen, so infizieren diese zunächst einzelne Zellen.
Die Pflanze erkrankt jedoch nur, wenn sich das Virus vom ursprünglichen
Infektionsort auf die gesamte Pflanze ausbreiten kann. Innerhalb der Pflanze
wandert das Virus -wie oben erwähnt- durch das Phloem, aber auch durch
die natürlichen Öffnungen (Plasmodesmen) von Zelle zu Zelle.
An diesem Transportvorgang sind in der Regel Proteine des Virus (Transportproteine,
TP) beteiligt. Wissenschaftlern des MPIZ charakterisierten das Kartoffelblattrollvirus
TP näher (für PVY ist dieses Transportprotein noch nicht zuverlässig
identifiziert worden). Es besitzt zwei Bindungsstellen (Domänen), die
jeweils eine spezifische Aufgabe übernehmen: Eine Domäne bewirkt,
daß sich mehrere TP-Moleküle zu Komplexen zusammenlagern. Über
die zweite Domäne binden die TP-Komplexe an den einzelsträngigen
Nukleinsäurefaden, die RNA des Blattrollvirus. Dabei überführen
sie die Nukleinsäure in einen langgestreckten Faden. In dieser linear
gestreckten Form von Ribonukleinsäure / Proteinkomplexen ist jetzt
offensichtlich der Transport der viralen RNA in der Pflanze möglich.
Das Gen für das Transportprotein (TP-Gen) konnte aus dem PLRV-Genom
isoliert werden. Das Protein veränderten unsere Wissen-schaftler so,
daß es eine Verlängerung an einem Ende (am aminoterminalen) aufweist.
Das neue Protein bindet wohl an den Nukleinsäurefaden und an weitere
Transportproteine, aber ein Transport dieser entstehenden Komplexe von einer
Zelle in die benachbarte Zelle findet nicht mehr statt .
Das auf diese Weise veränderte Gen wurde unter die Kontrolle von Steuerelementen
des Blumenkohlmosaikvirus (35S-Promotor und -Terminator) gestellt und mit
Hilfe des Vektors Agrobacterium tumefaciens (siehe MPIZ aktuell 1996/4)
in Blattzellen von Kartoffelpflanzen der Sorte Désirée, die
sehr anfällig für PLRV ist, eingebracht.
Infiziert PLRV diese gentechnisch veränderten Pflanzen, dann kann sich
das Virus schlechter in den Pflanzen ausbreiten. Eine mögliche Erklärung
ist: Die nun vom Virus kodierten intakten und die von der Pflanze gebildeten
defekten Transportproteine bilden gemeinsam Mischkomplexe. Diese können
die Virus-RNA nicht in die für den Transport von Zelle zu Zelle erforderliche
Form bringen. Damit bleibt die Virusinfektion auf die infizierte Zelle beschränkt
und die weitere Ausbreitung des Virus in der Pflanze ist behindert.
Zunächst führten unsere Mitarbeiter Tests an Pflanzen im Gewächshaus
durch. Dazu prüften sie die PLRV anfällige Sorte Désirée
und die aus dieser Sorte gewonnenen gentechnisch veränderten Linien
auf ihre Widerstandsfähigkeit. Sie pfropften mit PLRV infizierte Stengelteile
auf gentechnisch veränderte Pflanzen und erzeugten so Primärinfektionen.
Aus den Knollen zogen die Forscher neue Pflanzen heran und stellten die
Konzentration von Viren in den Blättern dieser neuen Pflanzen fest.
Das Resultat: Im Durchschnitt enthielten die gentechnisch veränderten
Pflanzen 2/3 weniger Viren als die Kontrollpflanzen. Im Gegensatz zu letzteren
zeigten sie nur sehr schwach ausgeprägte Symptome der Krankheit.
Das Transportprotein des PLRV bringt das Genom des Virus in eine Form, die es ihm ermöglicht, durch die natürlichen Öffnungen (Plasmodesmen) zwischen den Zellen zu wandern. Es enthält einen Teil (A), der an die Erbsubstanz bindet. Mit einem weiteren Teil (B) nimmt es Kontakt zu anderen gleichartigen Molekülen auf. Ist dieser Teil des Proteins verändert (C), dann kann es zwar nach diesem Modell noch an das Genom binden und Kontakt zu anderen nicht veränderten Proteinen aufnehmen. Eine Bindung wie im linken Teil der Abbildung, die einen Transport des Virus von Zelle zu Zelle erlaubt, ist aber nicht mehr möglich. Somit kann sich das Virus nicht in der Pflanze ausbreiten und die Infektion bleibt auf einen kleinen Bereich der Pflanze beschränkt.
Im Jahre 1994 erfolgte auf dem Versuchsgelän-de des MPIZ in Köln der erste Freilandversuch, um die im Gewächshaus gewonnenen Ergeb-nisse unter Freilandbedingungen zu überprüfen. 300 gentechnisch veränderte Kartoffelpflanzen und 60 Kontrollpflanzen pflanzten unsere Mitarbeiter im Mai aus. Daneben wuchsen 180 unveränderte, aber mit PLRV infizierte Kartoffelpflanzen. Damit erhöhten die Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit, daß das Virus die zu untersuchenden Pflanzen auch infiziert. Anfang August vernichteten Gegner der Gentechnik den Versuch mit einem Herbizid. Trotzdem ernteten die Wissenschaftler noch Ende August Knollen, um den Gehalt an Virus in den daraus heranwachsenden Pflanzen festzustellen. Diese keimten aber in den folgenden Untersuchungen schlecht: Rückstände des Herbizides hatten sich in den Knollen angereichert. Eine Auswertung des Versuchs war nicht mehr möglich.
Der Freilandversuch mit gentechnisch veränderten virusresistenten
Kartoffelpflanzen im Juli 1996. Er wurde im August zerstört.
In weiteren Forschungsarbeiten untersuchten unsere Mitarbeiter die Wirkung
des Schutzmechanismus auf der Basis des gentechnisch veränderten PLRV-Transportproteins
gegen andere wichtige Kartoffelviren wie PVY und PVX .
Da das PLRV-Transportprotein in Laborexperimenten unspezifisch an einzelsträngige
Nukleinsäure bindet, erschien es durchaus denkbar, daß dies in
den gentechnisch veränderten Pflanzen auch die Vermehrung anderer einzelsträngiger
RNA-Viren blockiert. Versuche im Gewächshaus bestätigten dies
schließlich: Die gentechnisch veränderten Pflanzen zeigten sich
auch gegen das PVX und das PVY widerstandsfähig: Sie wiesen eine "Breitbandresistenz"gegen
Virusinfektionen auf.
Sofern Freilandexperimente zu ähnlich positiven Ergebnissen wie bei
den Gewächshausversuchen führen, könnte der gentechnisch
induzierte Schutzmechanismus neue Perspektiven bei der Züchtung virusresistenter
Kartoffelsorten eröffnen und in Zukunft zur Einsparung synthetischer
Spritzmittel führen.
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