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Präzygotische Isolationsbarrieren


Geographische Isolation

Am augenscheinlichsten zeigt sich die geographische Isolation beim Vergleich der Floren verschiedener Kontinente (gleicher Klimazonen), z.B. zwischen Nordamerika und Europa. Wie Verfrachtungsversuche und Einführung einer Art in ein ihr fremdes Florengebiet gezeigt haben, ist diese Fortpflanzungsbarriere oft recht schwach und bricht leicht zusammen. Daher kommen Bastardierungen mit dort heimischen Arten vor, sofern sie nicht durch gleichzeitig vorhandene andersartige Barrieren verhindert werden. Als Beispiel kann der Spartina townsendii-Fall angeführt werden.

Nicht minder deutlich zeigt sich dieses Phänomen bei der Analyse von Inselvegetationen. Endemische Arten (Pflanzen und Tiere), also solche, die ausschließlich in einem bestimmten, meist eng umgrenzten Areal vorkommen, finden sich auf Inseln gehäuft. Sowohl C. DARWIN als auch A. WALLACE legten diese Erkenntnis den von ihnen entwickelten Selektionshypothesen zugrunde. Bekannt wurden die auf den Galapagos-Inseln vorkommenden DARWIN-Finken, von denen jede Art nur auf bestimmten dieser Inseln vorkommt. Das Galapagos-Archipel - vulkanischen Ursprungs und erdgeschichtlich daher relativ jung - beherbergt auch Pflanzengruppen, von denen auf den einzelnen Inseln nur ganz bestimmte Arten zu finden sind. Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang das Vorkommen und die Verbreitung der Compositengattung Scalesia. Die ca. zwanzig Arten sind am einfachsten an der Form ihrer Blätter zu unterscheiden, sie sind darüberhinaus verholzt, einige sind sogar große Bäume. Schon das ist bei Compositen unüblich, denn die Mehrzahl der Arten (immerhin einer der artenreichsten Pflanzenfamilien) sind einjährige Kräuter oder mehrjährige unverholzte Stauden. Compositenbäume wiederum kommen allerdings auch nicht nur auf den Galapagos-Inseln, sondern auch auf anderen pazifischen Inseln, z. B. auf den San Fernandez - Inseln vor der Küste Chiles und wenigen Kontinentalstandorten vor.

Der Zusammenbruch einer Fortpflanzungsbarriere kann, wie das folgende Modellexperiment zeigt, sogar zum Aussterben einer Art führen. So kommen z.B. die beiden Nachtkerzengewächse Clarkia biloba und Clarkia lingulata in Kalifornien nie am gleichen Standort vor. Zwischen ihnen werden keine stabilen Bastarde gebildet. H. LEWIS (University of California, Los Angeles, 1962), der sich mit der Entstehung dieser Gattung intensiv befaßte, zeigte, daß die beiden Arten in Mischkultur auf einem Versuchsfeld von ihren Bestäubern nicht unterschieden werden können. Neben intraspezifischen Nachkommen findet man daher in der nachfolgenden Generation zahlreiche sterile Hybriden. Die Fitneß einer jeden Art wird daher primär durch die Zahl ihrer Blüten bestimmt. In einer Experimentalpopulation, die anfangs zu zwei Dritteln Clarkia biloba und einem Drittel Clarkia lingulata-Pflanzen enthielt, verschwand letztere innerhalb von vier Generationen, obwohl die Wachstumsbedingungen für beide gleich gut waren und beide artspezifisch optimal Blüten ansetzten.

Ein Aussterben von Arten (oder Rassen) findet man nicht nur bei Pflanzen mit Insektenbestäubung; das Hordeum vulgare-Experiment sei in diesem Zusammenhang in Erinnerung gerufen.


Biotopisolation

Wie die geographische Isolation ist auch die Biotopisolation kein absolut sicheres Mittel, um Bastardierungen zwischen verwandten (sympatrischen) Arten zu verhindern. A. KERNER v. MARILAUN zeigte bereits im vergangenen Jahrhundert, daß an den Nahtstellen der Lebensräume (zweier) vikariierender Arten oft Bastardschwärme auftreten. Selten sind diese Bastarde stabil, und noch seltener kommt es auf diese Weise zur Bildung neuer Arten. Als Beispiel könnte man die von ihm beschriebenen Primelbastarde herausstellen. Primula auricula ist gelbblühend und kommt in den Alpen auf Kalk vor, Primula hirsuta und einige ähnliche Arten haben zweifarbige (gelb/rotviolette) Blüten und sind auf Urgestein (Silikat, Granit) verbreitet. Wo beide Gesteinsarten aufeinanderstoßen, findet man (meist instabile) Bastarde. Aus einer derartigen Kreuzung ist die Primula pubescens, die Ausgangsform der Gartenaurikel hervorgegangen.


Jahres- oder tageszeitliche Isolation

In den Tropen treten Jahreszeiten kaum in Erscheinung. Als Beispiel für eine zeitliche Isolation können dort sympatrische Miconia-Arten (Familie Melastomataceae) aus dem Primärwald des Amazonasgebiets bei Manaus genannt werden. Diese Arten werden alle von den gleichen Bestäubern (z.B. Bienen der Gattung Melipona und Halictiden) besucht (S. RENNER, 1984). Ihre zeitlich gestaffelten Blütezeiten schalten eine interspezifische Befruchtung weitgehend aus. Gleichzeitig wird die Konkurrenz um Bestäuber und Fruchtverbreiter vermindert.

Tageszeitlich unterschiedliche Blütenöffnungszeiten: Oenothera breviceps und Oenothera clavaeformis kommen in den Wüsten des westlichen Nordamerikas nebeneinander vor. Sie blühen zur gleichen Jahreszeit und werden von den gleichen Bestäubern (solitäre Bienen, vornehmlich Andrena) besucht. Die Blüten der Oenothera breviceps öffnen sich vor Sonnenaufgang und werden von frühmorgendlich fliegenden Individuen bestäubt. Oenothera clavaeformis blüht erst am späten Nachmittag und wird daher nur von solchen Bienen besucht, die zu dieser Tageszeit aktiv sind. Der Pollenaustausch zwischen den beiden Arten ist damit weitgehend unterbunden. Hybride treten nur selten auf (P. RAVEN, 1962). Auch bei Windblütern, z.B. Arten aus der Gramineengattung Agrostis, wurde eine artspezifische, tageszeitlich unterschiedliche Ausschüttung des Pollens festgestellt (W. R. PHILIPSON, 1937).


Ethologische Isolation, Mechanische Isolation

Beide Mechanismen wirken oft zusammen, denn einerseits muß der Einfluß der Bestäuber auf die Ausbildung und Selektion von Arten beachtet werden, andererseits aber auch der Blütenbau, der nur bestimmten Bestäubern einen Zugang zu Pollen und Nektar und dabei den Narbenkontakt gestattet. Aquilegia formosa (eine nordamerikanische Akelei-Art) hat einfache, nickende, gelb und rot gefärbte Blüten mit einem kurzen, 1-2 cm langen Sporn. Die Blüten enthalten am Grunde Nektar und werden von Kolibris, deren Schnabel etwas länger als der Sporn ist, bestäubt. Aquilegia chrysantha, Aquilegia longissima und Aquilegia pubescens zeichnen sich durch blaßgelbe, aufrecht sitzende Blüten mit langen Spornen aus. Die Bestäubung erfolgt üblicherweise durch Schmetterlinge aus der Gruppe der Schwärmer (Sphingidae). Wie die entsprechenden Meßergebnisse veranschaulichen, stimmen die Spornlänge und die Rüssellänge der Schmetterlinge auffallend gut miteinander überein. Kolibris haben keine Chance, an den Nektar von Aquilegia chrysantha und Aquilegia longissima heranzukommen, und sie versuchen es auch gar nicht. Bei Aquilegia pubescens haben sie gelegentlich Erfolg. Die drei zuletzt genannten Arten können experimentell ohne Schwierigkeiten untereinander gekreuzt werden. Die Hybriden erzeugen fertile Nachkommen. In der Natur wird die Abgrenzung einmal durch geographisch unterschiedliche Verbreitung und darüber hinaus durch unterschiedliche Bestäuber gesichert.

Aquilegia pubescens und Aquilegia formosa hingegen haben überlappende Verbreitungsgebiete. Da Kolibris als gemeinsame Bestäuber agieren können, kommt es zur Bastardbildung und damit auch zu einem Genaustausch (V. GRANT, Rancho Santa Ana Botanical Garden, Clairemont / Cal., 1952). Durch Hybridisierung kann ein ansonsten wirkungsvoller Isolationsmechanismus außer Kraft gesetzt werden und damit zur Fitneßreduktion der Arten führen.

Dazu wieder ein Beispiel: Blüten von Gilia modocensis und Gilia malior (Familie Polemoniaceae, Asteridae) sind auf Selbstbestäubung (Autogamie) adaptiert. Normalerweise werden sie von Insekten nicht besucht. Die Form und die Längen der Griffel und der Antheren sind so aufeinander abgestimmt, daß die Antheren die Narbe "automatisch" berühren und Pollen auf ihr deponieren, sobald sich die Blüte öffnet. In den Hybriden der F2 bis F4 tauchen die unterschiedlichsten Rekombinationstypen auf, bei denen die obengenannte Abstimmung aufgehoben ist. Die Berührung der Narbe durch die Antheren unterbleibt. Der Ausfall der Selbstbestäubung und das Fernbleiben von Insekten führt zu einer Sterilität der Hybriden, obwohl funktionsfähiger Pollen und funktionsfähige Eizellen produziert werden (G. L. STEBBINS, University of California, Davis, 1950).

Wie wichtig Fortpflanzungsisolation ist, und wie fatal sich der Ausfall einer der Fortpflanzungsbarrieren auswirken kann, läßt sich aus der Tatsache ableiten, daß vielfach mehrere, voneinander unabhängige Barrieren (als Parallelschaltung) ausgebildet sind. Als Beispiel kann erneut ein Artpaar (a und b) aus der Gattung Gilia genannt werden:

(a) Gilia capitata chamissoni

(b) Gilia millefoliata

Beide sympatrischen Arten sind ökologisch voneinander isoliert, (a) kommt in Sanddünen, (b) auf Wiesen vor. Es besteht eine saisonale Isolierung, hervorgerufen durch unterschiedliche Blühperioden, (b) blüht früher als (a); schließlich besteht eine ethologische und mechanische Isolierung: (a) hat große Blüten und wird von Bienen bestäubt, (b) hat kleine Blüten und ist Selbstbefruchter. (V. GRANT, 1952, 1963)


Sterilitätsbarrieren: externe und genetische Einflüsse

Bei den bisher genannten Isolationsmechanismen sieht es so aus, als würden sie weitgehend durch externe Einflüsse aufrechterhalten. Das ist nur zum Teil richtig, denn es sind genetische Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Pflanzenart auf Kalk oder auf Urgestein gedeiht oder ob sich Blüten morgens oder abends öffnen. Das Genom der Pflanzen bestimmt auch, wie die Blüte aussieht und ob sie damit für Bestäuber attraktiv und zugänglich ist. Das Verhalten und Vorkommen der Bestäuber wiederum ist das, was wir (in diesem Beispiel) unter "externen Einflüssen" verstehen.

Sterilitätsbarrieren beruhen nahezu ausschließlich auf endogenen (genetisch determinierten) Faktoren. Pollen z.B. kann auf eine falsche (artfremde oder intraspezifisch inkompatible) Narbe geraten. Er treibt dann keinen Pollenschlauch aus, oder ein gebildeter Pollenschlauch degeneriert oder kann nicht bis zur Eizelle vordringen. In all diesen Fällen spricht man von Polleninkompatibilität oder Pollensterilität (letztere ist auch gegeben, wenn der Pollen selbst inaktiv ist. Polleninkompatibilität ist u.a. aber auch mit dafür verantwortlich, daß manche Arten obligate Fremdbefruchter sind.


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de