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ZELLULÄRE UND MOLEKULARE IMMUNOLOGIE

Peter v. Sengbusch, 1971


Was ist eine Immunologische Reaktion? Eine Abwehrreaktion des Körpers gegenüber Fremdkörpern - Viren, Bakterien, Zellen, Geweben, Makromolekülen u.s.w. Ein solcher Fremdkörper, genannt Antigen oder Immunogen löst einen Mechanismus aus, der es dem Körper erlaubt, gegen diese fremde Substanz spezifische Abwehrstoffe zu bilden. Diese Definition ist sehr allgemein gefaßt und induziert eine Anzahl von Fragen

Sind alle Fremdkörper Antigene?
Wie erkennt der Körper, ob eine Substanz fremd oder körpereigen ist?
Kommt die Immunreaktion bei allen Organismen oder nur bei einigen Tierklassen vor?
Zeigt jedes Individuum von seiner Geburt an diese Schutzfunktion?

Die Liste der Fragen ließe sich beliebig erweitern. Zur Beantwortung der Fragen müssen wir uns einer Vielfalt experimenteller Techniken bedienen. Beobachtung pathologischer Fälle in Kliniken und Experimente auf molekularer und zellulärer Ebene seien als Beispiele genannt. Die Medizin kennt die Immunologie seit Ende des 18. Jahrhunderts

Aktive und passive Schutzimpfung (Immunisierung), Anaphylaktischer Schock, Autoimmunreaktion, Histokompatibilität, Blutgruppen u.a. sind Phänomene und Probleme von großer Bedeutung.

Um sie verstehen zu lernen, müssen wir die Grundlagen kennen, die allen gemeinsam sind. Zum besseren Verständnis werden wir einige Beispiele an den Anfang setzen, um aus Experimenten und Beobachtungen heraus Folgerungen auf den Mechanismus ziehen zu können. Wir werden auch einige Begriffe einführen müssen - nicht um diese zu erklären - sondern weil wir sie kennen müssen, um miteinander reden zu können.

Viele Namen, wie z. B. Antigen sind historischen Ursprungs und haben sich fest eingebürgert. Ein Antigen hat nichts mit einem Gen zu tun wie wir es aus der Genetik her kennen.

Die Immunreaktion soll hier nicht nur wegen ihrer Bedeutung für die Medizin behandelt werden. Wir müssen die Frage auch vom Standpunkt der Biologie stellen und sehen uns dann mit einem neuen Fragenkatalog konfrontiert

Wie kommt es, daß der Körper gegen Antigene spezifisch reagiert?
Wie kann er Antigene voneinander unterscheiden?
Ist das Unterscheidungsvermögen genetisch festgelegt?
Ist es denkbar, ein Unterscheidungsvermögen im Laufe des Lebens zu erlernen ohne es auf die folgende Generation zu übertragen?
Gibt es Zellen, die auf diesen Abwehrmechanismus spezialisiert sind und wenn ja, wie differenzieren sie sich?
Welchen Einfluß hat das Antigen auf die Differenzierung- oder allgemeiner ausgedrückt: Welchen Einfluß haben äußere Reize auf die Differenzierung von Zellen?
Wie erkennt die Zelle ein Antigen?

Um Fragen dieser Art zu beantworten, bedient man sich am effektivsten der Methoden der Molekularen Biologie, die ihrerseits der Physik und der Physikalischen Chemie entlehnt sind.

Es müssen Experimente erdacht werden, die vorher gestellte Fragen im positiven oder negativen Sinne entscheiden. Die Molekularbiologen waren in den letzten Jahrzehnten erfolgreich, weil ihre Fragen eindeutig waren und weil ihnen geeignete Versuchsobjekte zur Verfügung standen Bakterien und Viren. Ihnen war gemeinsam, daß man 109 bis 1012 Individuen in einem Versuch einsetzen konnte. Die Aussagen erreichten Werte, die in ihrer Exaktheit den Aussagen der Physik und Chemie nahekommen.

Können wir uns bei der Beantwortung unserer Fragen der Bakterien bedienen?

Wir können es nicht. Bakterien zeigen keine Immunreaktion. Wir müssen schon zu den Wirbeltieren gehen, um eine solche Reaktion nachzuweisen. Damit steigen natürlich unsere experimentellen Schwierigkeiten. An dieser Stelle soll ein Zahlenvergleich folgen, der nichts mit Experimenten gemeinsam hat

Es gibt etwa 6 x 109 Menschen auf der Erde, vielleicht schon zu viele, um allen ein menschenwürdiges Leben auf der Erde zu gewähren, aber es sind nicht mehr Individuen als Bakterien in nur zwei Milliliter einer Bakterienkultur.

An welche Versuchstiere müssen wir uns halten? Bestimmt werden uns für einen Versuch weniger als 109, ja sogar weniger als 103 zur Verfügung stehen. Dennoch muß ein Versuchstier optimale Bedingungen erfüllen:

Haltung auf möglichst kleinem Raum, keine übermäßige Anfälligkeit für Krankheiten, keine zu hohen Nahrungsansprüche, möglichst leichte Pflege, Eignung für den gewünschten Versuch, keine zu hohen Kosten bei der Anschaffung und Haltung. Eine Reihe von Nagern hat sich in immunologisch arbeitenden Laboratorien am besten bewährt: Kaninchen, Mäuse, Meerschweinchen, Ratten. Wir werden später noch darauf zurückkommen, wann man welches Tier wählt und wann man sogar zu anderen Arten greifen muß.

Wie weist man eine Immunologische Abwehrreaktion nach?

Eine der ersten Beobachtungen geht ins 18. Jahrhundert zurück. Der englische Landarzt JENNER bemerkte, daß Personen, die mit Kühen in Berührung kamen, nicht an Pocken erkrankten. Er stellte fest, daß diese Personen einmal in ihrem Leben eine leichte Infektion mit Kuhpocken durchgemacht hatten. Durch diese Infektion erlangten sie eine lebenslange Immunität gegen Kuhpocken und Pocken, nicht aber gegen andere Krankheiten wie Tuberkulose, Masern, Polio etc. Hieraus können wir zweierlei lernen: Einmal, der Körper bildet Abwehrstoffe, wir nennen sie Antikörper, zweitens, die Antikörper sind spezifisch, obwohl der Begriff Spezifität nicht zu eng gefaßt werden darf: Eine Immunisierung gegen Kuhpocken stellt nämlich gleichzeitg eine Immunisierung gegenüber Pocken dar. An dieser Stelle können wir einige neue Begriffe einführen:

Den Fremdkörper - hier das Kuhpockenvirus - haben wir bereits als Antigen oder Immunogen definiert. Gleichzeitig sehen wir, daß Antigen und Immunogen nicht das gleiche zu sein brauchen. Ein Immunogen induziert die Antikörpersynthese. Das Individuum wird gegenüber dem Immunogen sensibilisiert. Ein Antigen reagiert mit den dabei gebildeten Antikörpern. In unserem Beispiel sind die Kuhpocken sowohl Immunogen als auch Antigen, die Pocken ihrerseits nur Antigen. Um die beiden Antigene begrifflich voneinander zu unterscheiden, bezeichnet man ersteres als homologes Antigen, das zweite als heterologes Antigen. Das heterologe Antigen ist verschieden vom Immunogen.

Wo kommen Antikörper vor?

Es wurde schon frühzeitig erkannt, daß Antikörper Bestandteile des Blutserums sind. Ein Serum, das spezifische Antikörper enthält, bezeichnet man als Antiserum. Die erste sich aus dieser Feststellung ergebende Frage kann lauten:

Wie kommen Antikörper ins Serum da wir wissen, daß Blutserum keine Moleküle synthetisiert?

Offensichtlich sind es spezielle Zellen, die Antikörper synthetisieren und dann ins Blutserum abgeben. Bevor das aber geschehen kann, muß ein anderer Vorgang stattfinden: Es muß Zellen geben, die ein Immunogen erkennen und dadurch stimuliert werden Antikörper zu bilden. Wie wir noch sehen werden, ist dazu eine Vermehrung der Zellen und eine Differenzierung erforderlich.

Doch zurück zu der Tatsache, daß Antikörper im Blutserum gefunden werden. Diese Erkenntnis läßt eine große Anzahl einfacher Versuche zu, selbst mit menschlichem Blutserum. Zusammenfassend werden alle Versuche dieser Art unter der Bezeichnung Serologie geführt. Die Serologie gab der Medizin ein wirkungsvolles Mittel zum Erkennen und Bekämpfen von Infektionskrankheiten zur Hand.

Welche Aussagen können gemacht werden?

Eine haben wir bereits kennengelernt. Pocken und Kuhpocken sind miteinander serologisch verwandt. Mit anderen Worten: die beiden Antigene zeigen serologische Kreuzreaktion. Letzteres gilt aber nur, wenn - wie stillschweigend vorausgesetzt - Antikörper, die durch Pockenvirus induziert werden, auch mit dem Antigen Kuhpocken reagieren. Diese Feststellung erlaubt es uns, Antigene (Bakterien, Viren u.a.) zu klassifizieren.

Typisches Beispiel : Influenza Virus. Die Einteilung din die Typen : A, A1, A2, B......

erfolgt ausschließlich nach serologischen Gesichtspunkten. Wenn Viren und Bakterien klassifiziert werden können, so ist mit der gleichen Methode auch eine Diagnostik möglich, wie sie in der medizinischen Praxis Anwendung findet.

Wir müssen uns fragen, wie man so etwas bewerkstelligen kann?

Generell gesagt: es geht nur dann, wenn es einen Test gibt, mit dem man Antigen und Antikörper qualitativ und quantitativ nachweisen kann. Antigene und Antikörper bilden einen Antigen - Antikörperkomplex (Ag / Ak - Komplex), der unter bestimmten Umständen unlöslich ist und als Präzititat nachgewiesen werden kann. Je nach Versuchsanordnung kann man auf diese Weise die Menge der Antikörper oder (und) die Menge der Antigene bestimmen.

Was geschieht, wenn man Zellen als Antigen verwendet?

Im Prinzip das gleiche. Sie verklumpen, wenn man sie mit spezifischen Antikörpern zusammenbringt. Diese Verklumpung heißt Agglutination. Das wohl bekannteste Beispiel der Agglutination finden wir bei den Roten Blutkörperchen, den Erythrozyten: Jene tragen auf ihrer Oberfläche Antigene, die wir als Blutgruppenantigene kennen und als A, B oder AB bezeichnen. Sind keine derartigen Antigene auf der Erythrozytenoberfläche vorhanden, heißt der Typ 0 . Eine Person mit der Blutgruppe A enthält im Serum Antikörper gegen B (Anti - B), umgekehrt besitzt eine Person der Blutgruppe B Anti - A im Serum, während Personen des Blutgruppentyps AB keinerlei Antikörper gegen Blutgruppenantigene und jene der Blutgruppe 0 Anti - A und Anti - B im Serum enthalten. Mischt man z.B. Blut der Gruppe B mit Blut der Gruppe A, so kommt es zu einer Agglutination. Die Erythrozyten von B reagieren mit Anti - B Antikörpern und bilden einen unlöslichen Komplex. Diese Tatsache ist entscheidend bei Bluttransfusionen. Es darf heute keine Bluttransfusion unternommen werden, bevor nicht die Blutgruppe des Empfängers in einem Test geklärt wurde.

Die in diesem Abschnitt aufgeführten Beispiele sollen andeuten, auf welchen Ebenen die Probleme der Immunologie liegen. Sie sollen weitere Fragen induzieren, wie

Wie ist ein Antigen näher definiert?
Wie ist ein Antikörper aufgebaut?
Wie wird er synthetisiert?
Welche Mechanismen kontrollieren die Antikörpersynthese?
Wie reagiert ein Antikörper mit dem Antigen?
Welche Tests und welche experimentellen Tricks stehen uns zur Verfügung?
In wie weit können wir unsere Aussagen verallgemeinern?

Im folgenden wollen wir versuchen, auf einige dieser Fragen im Detail einzugehen und zu versuchen, sie Schritt für Schritt zu beantworten. Die Immunologie hat in den letzten Jahren eine sehr intensive Forschungsphase durchlaufen - die Entwicklung hält immer noch an. Viele Probleme sind bereits geklärt, haben aber umgehend neue Fragen aufgeworfen - viele davon sind bis heute noch nicht beantwortet. Die folgenden Ausführungen stellen einen Anfang zum Verständnis der Probleme der Immunologie dar. Ein abschließender Bericht kann vorerst noch nicht geschrieben werden.

Wie weist man Antigene, wie weist man Antikörper nach?

Ein Kaninchen wird mit einem Polysaccharid oder Rinderserumalbumin (BSA) immunisiert. Das heißt, einige mg /ml des Polysaccharids werden dem Versuchstier in die Blutbahn injiziert. Etwa 14 Tage bis 3 Wochen danach kann Blut entnommen und daraus durch Abzentrifugieren der Erythrozyten das Antiserum gewonnen werden. Dieses Antiserum enthält also Antikörper, die spezifisch gegen das Polysaccharid gerichtet sind.

Zu gleichen Mengen des mit physiologischer Kochsalzlösung (0,9%ig) verdünnten Antiserums (1 : 10 bis 1 : 100) geben wir steigende Mengen des Antigens. Es kommt zu einer Präzipitationsreaktion. Mißt man die Menge des Präzipitats und trägt sie gegen die Menge des Antigens auf, so erhalten wir eine Kurve, die ein Maximum durchläuft. Eine Funktion mit einem Maximum (Optimum), hier Äguivalenzzone genannt, deutet darauf hin, daß der Reaktion mindestens zwei gegenläufige Prozesse zu Grunde liegen. Im ansteigenden Bereich der Funktion sind Antikörper im Überschuß vorhanden, im abfallenden Bereich das Antigen. Aus den gemessenen Präzipitatmengen und der Kenntnis des Molekulargewichts der Antikörper und des Antigens können wir an jedem Punkt der Kurve das molare Verhältnis von gebundenem Antigen pro Antikörper im Präzipitat errechnen. Diese Werte können gegen die Menge des eingesetzten Antigens aufgetragen werden. Wir ersehen daraus, daß in der Äquivalenzzone 2 Mol Antigen von einem Mol Antikörper gebunden werden und das bedeutet, daß der Antikörper 2 Bindungsbereiche (Valenzen) haben muß. Wir sprechen daher von bivalenten Antikörpern.

Dieses Ergebnis gibt uns eine Erklärung für die gefundene Optimumskurve. Da wir uns den Antigen-Antikörper- Komplex in verschiedenen Zustandsformen vorstellen können, müssen wir annehmen, daß diese Komplexe im Gleichgewicht zueinander stehen. Das Gleichgewicht wird nach dem Massenwirkungsgesetz beschrieben.

k = [Ag] [Ak] / [AgAk]

Nur im Äquivalenzbereich ist der Vernetzungsgrad so hoch, daß der gesamte Komplex in unlösliche Form vorliegt. Wir haben jetzt ein Testsystem, um die Antigen - Antikörperreaktion quantitativ zu messen.

Wie verhalten sich heterologe Antigene in diesem System?

Drei Möglichkeiten sind denkbar

  1. Die beiden Kurven decken sich
  2. Es gibt gar keine Reaktion
  3. Die Kurve für das heterologe ist verschieden von der Kurve für das homologe Antigen.

Am einfachsten ist die Erklärung für den Fall 2. Das heterologe Antigen hat keine nachweisbaren serologischen Gemeinsamkeiten mit dem homologen Antigen (dem Immunogen). Im Fall 1 könnte man annehmen, daß es identisch mit dem Immunogen ist. Wir werden gleich noch sehen, welcher Kontrollversuch noch gemacht werden muß, um diese Aussage zu verifizieren.

Interessant ist der Fall 3. Er zeigt nämlich, daß das heterologe Antigen mit dem homologen serologisch verwandt ist. Die Lage der Kurve in Relation zur Präzipitationskurve mit dem homologen Antigen gibt uns den Grad der serologischen Verwandtschaft an.

Was bedeutet das ?

Wir haben bereits im einleitenden Kapitel festgestellt, daß Antigene Makromoleküle sein können. Wir müssen daher fordern, daß die Moleküle, die heterologes und homologes Antigen darstellen, in einigen Molekülbereichen identisch, in anderen Bereichen verschieden sind. Das sagt uns dann äber auch, daß zur Immunisierung und zur Determinierung der Spezifität nicht das ganze Molekül, sondern nur Teile davon nötig sind. Diese Teile heißen Determinanten. Diese Erkenntnis ermöglicht es uns nun, Aussagen über die Struktur der Antigenmoleküle zu machen und welche Voraussetzungen an ein Molekül gestellt werden müssen, damit es antigen bzw. immunogen sein kann.

Wie können wir uns eine Determinante rein formal vorstellen?

Nehmen wir an, ein Molekül (M1) habe die Determinanten D1, D2, D3, D4, und D5. Ein Molekül (M2) habe die Determinanten D6, D7, D8, D9, und D10. Ein Molekül (M3) mit den Determinanten D1, D2, D3, D9, und D10 ist zumindest teilweise identisch mit M1 und M2. M4 mit den Determinanten D1, D2 , D3, D4, D5, D9, und D10 enthält alle Determinanten von M1, darüberhinaus einige mehr. Wir sollten also eine Reaktion mit dem Antikörper gegen M1 erwarten. Je mehr gemeinsame Determinanten zwischen zwei Antigenen vorhanden sind, desto enger ist deren serologische Verwandtschaft. Kommen wir zu unserem Experiment und der dort aufgezeigten Möglichkeit 1 zurück.

Sind in dem vorliegenden Fall die beiden Antigene M1 und M4 identisch? Diese Frage ist aus einem Versuch heraus nicht zu entscheiden. Angenommen M1 sei das Immunogen, dann würden die dagegen gerichteten Antikörper mit dem Antigen M4 die gleiche Präzipitatmenge geben. Wir wissen nun aber, daß M1 und M4 nicht identisch sind, sondern daß M4 zusätzlich Determinanten enthält, die wir in dem bisherigen Test gar nicht nachweisen können. Um Identität sicher nachzuweisen, müssen wir die Reaktion auch mit dem heterologen Antiserum ( Anti - M4 ) testen. In unserem Gedankenexperiment würden wir dann finden,.daß das Antigen M1 nicht alle Antikörper ausfällen kann. Die Präzipitationsmenge würde niedriger sein als mit dem Antigen M4. Identität liegt folglich nur dann vor, wenn die Präzipitationskurven bei beiden Seren identisch wären.

Man kann den Test auch vereinfachen. Man kann zu einem Antiserum solange heterologes Antigen hinzugeben, bis es alle für sich spezifischen Antikörper absorbiert hat. Anschließend testet man mit dem homologen Antigen. Fällt dann noch Präzipitat aus, sind beide Antigene voneinander verschieden. Fällt kein Präzipitat aus sind sie identisch, sofern das gleiche Ergebnis auch mit dem heterologen Antiserum auftritt. Diesen Test nennt man Absorptionstest. Er ist eine Variation des Präzipitationstests.

Wir haben angenommen, daß ein Antigen zahlreiche Determinanten aufweist ohne dabei die Bindungsbereiche der Antikörper zu berücksichtigen. Hat ein Molekül zahlreiche Determinanten, so müssen zahlreiche, verschiedene Bindungsbereiche bei Antikörpern vorhanden sein. Zu klären wäre dann die Frage

Liegen die verschiedenen Bindungsbereiche auf einem Antikörpermolekül oder ist für die Spezifität gegen jede Determinante ein anderes Antikörpermolekül erforderlich?

Um diese Alternative zu entscheiden, brauchen wir keine neuen Versuche zu machen. Wir haben ja im Absorptionstest gesehen, daß wir einen Teil der Antikörper mit einem heterologen Antigen ausfällen können. D. h., daß wir einen Teil der Antikörpermoleküle ausgefällt haben, während ein Rest noch in Lösung bleibt. Diese Restantikörper müssen sich von den präzipitierten in irgendeiner Weise unterscheiden. Die nächstliegende Erklärung ist, daß sie sich in der Art ihrer Bindungsbereiche, d.h. ihrer Spezifität unterscheiden. Das würde auf die Möglichkeit hindeuten, daß für jede Determinante jeweils spezifische Antikörpermoleküle vorhanden sind.

Das bedeutet dann aber auch, daß gegen Antigen (Imunogen) nicht nur ein Typ von Antikörpermolekül gebildet wird, sondern eine ganze Gruppe verschiedenster Antikörpermoleküle. Antikörper stellen also eine heterogene Molekülpopulation dar. Aus dieser Erkenntnis heraus müssen wir das Schema unseres Präzipitationstests ergänzen. Nehmen wir als Antigen nicht ein relativ homogenes Molekül wie das im Beispiel angeführte Polysaccharid, sondern ein komplexeres Antigen, etwa ein Virus oder Bakterium, so finden wir, daß die Äquivalenzzone sehr breit ist und in vielen Fällen ein Abfall der Präzipitatmenge bei steigenden Antigenmengen gar nicht mehr nachweisbar ist.

Wir haben auch gesehen, welche Aussagen durch Verwendung des Präzipitationstests möglich sind. Wir haben uns bisher jedoch noch nicht gefragt, welche Nachteile unsere Versuchsanordnung hat. Die Antwort ist sehr einfach. Man braucht große Mengen an Antigen und Antiserum. Diese Mengen liegen in der Größenordnung von vielen mg. (bzw. ml). Doch soviel Material steht in vielen Fällen uicht zur Verfügung. Man stelle sich vor, man müßte das Antiserum einer Maus untersuchen, statt eines Kaninchens, wie wir es bisher getan haben.

Wir brauchen also ein Testverfahren im Mikromaßstab. Ohne das Prinzip aufzugeben, können wir uns eines einfachen Tricks bedienen. Statt 10 Reagenzgläser mit ständig steigenden Antigenmengen anzusetzen, stellt man einen kontinuierlichen Gradienten her. Ebenso verfährt man mit dem Antiserum. D.h. man läßt die beiden Reaktionspartner aufeinander diffundieren. Am einfachsten erreicht man das, indem man zwischen beide eine durchlässige Trägersubstanz bringt, in die die beiden Komponenten (Antiserum von der einen, Antigen von der anderen Seite her) hineindiffundieren.

Agar hat sich für dieses Verfahren am besten bewährt. An der Stelle, wo Antigen und Antikörper in äquivalenten Verhältnissen auftreten, bildet sich ein leicht sichtbares Präzipitat im Agar. Nach seinem Begründer heißt dieses Verfahren OUCHTERLONY Technik.

Am Rande seihier bemerkt, daß die Molekularbiologen den Trick, einen Träger einzusetzen, auch bei anderen experimentellen Techniken analog verwenden. Erwähnt sein soll nur, daß die Elektrophorese, bei der die Beweglichkeit von Molekülen im elektrischen Feld untersucht wird, erst dann großen Anklang in zahlreichen Laboratorien fand, als geeignete Trägersubstanzen für zu untersuchende Proben gefunden wurden, denn nur unter diesen Bedingungen konnte im Mikromaßstab analytisch gearbeitet werden. Polyacrylamid, Celluloseacetat, Stärkegele und Agar werden in heute gängigen Verfahren als Träger verwendet.

Effektiv sind Trennverfahren und Nachweise besonders dann, wenn voneinander unabhängige Methoden innerhalb eines Versuchs verwendet werden. Bei der Immunelektrophorese z. B. wird ein Molekülgemisch im elektrischen Feld aufgetrennt. Als Trägersubstanz wird Agar benutzt. Nach Beendigung der Elektrophorese wird Antiserum hinzugegeben, das spezifisch gegen einige oder alle Komponenten des Molekülgemisches gerichtet ist. Die Diffusionsrichtung des Antiserums ist so gewählt, daß sie im wesentlichen senkrecht zur ursprünglichen Richtung des elektrischen Feldes verläuft. Man wird überall dort ein Präzipitat finden, wo ein Antigen vorhanden ist, gegen das das Serum spezifisch gerichtet ist. Durch diese Methode läßt sich die elektrophoretische Beweglichkeit von Antigenen nachweisen.

Die Tatsache, daß bei einem bestimmten pH- Wert die Moleküle verschiedener Proteine unterschiedliche Ladungseinheiten tragen, macht man sich bei der Proteintrennung durch Elektrophorese zunutze. Unterzieht man Blutserum der elektrophoretischen Trennung, so zeigt die erhaltene Kurve vier Peaks für die Proteinanteile Albumin, alpha-, beta-, und gamma - Globulin



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