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Phenolische Substanzen


Wie in allen bisher besprochenen Gruppen vereint auch diese eine große Zahl heterogen strukturierter Moleküle. Ihr gemeinsames Merkmal: Sie enthalten mindestens ein hydroxylsubstituiertes aromatisches Ringsystem.

Die meisten gehören zu den Flavonoiden. Eine der Verbindungen, das Lignin (Grundsubstanz des Holzes) ist mengenmäßig vorherrschend. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Verbindungsklassen.

Die wichtigsten Klassen phenolischer Substanzen in Pflanzen
Anzahl der C - Atome
Grundstruktur des Skeletts
Klasse
6
C6
Einfache Phenole, Benzochinon
7
C6 - C1
Phenolische Säuren
8
C6 - C2
Acetophenone, Phenylessigsäure
9
C6 - C3
Hydroxyzimtsäure, Polypropen,
Cumarin, Isocumarin
10
C6 - C4
Naphthochinon
13
C6 - C1 - C6
Xanthon
14
C6 - C2 - C6
Stilben, Anthrachinon
15
C6 - C3 - C6
Flavonoid, Isoflavonoid
18
(C6 - C3)2
Lignan, Neolignan
30
(C6 - C3 - C6)2
Biflavonoid
n
(C6 - C3)n
(C6)n
(C6 - C3 - C6)n
Lignin 
Catecholmelanin 
(kondensierte Tannine) 
nach J. B. HARBORNE, 1980

Ausgangskomponente der Biosynthese der meisten phenolischen Substanzen ist die Shikimisäure (das Shikimat) . Phenole reagieren wegen der Dissoziierbarkeit ihrer -OH-Gruppe sauer. Es sind recht reaktive Substanzen, und sofern keine sterische Hemmung durch zusätzliche Seitenketten vorhanden ist, bilden sie Wasserstoffbrücken aus. So findet man bei vielen Flavonoiden intramolekulare Verknüpfungen. Eine zweite wichtige Eigenschaft ist ihre Fähigkeit, mit Metallen Chelatkomplexe einzugehen, und schließlich ist zu vermerken, daß sie leicht oxydierbar sind und dabei Polymere (dunkel gefärbte Aggregate) ausbilden. Das Dunkelwerden angeschnittener oder absterbender Pflanzenteile geht hierauf zurück. Unter dem Gesichtspunkt der Regulation des Pflanzenwachstums kann ihnen in der Regel eine hemmende Wirkung zugeschrieben werden. Zu den niedermolekularen Phenylpropanolderivaten gehören eine Anzahl von Duftstoffen, wie die Cumarine, die Zimtsäure, Sinapinsäure, die Coniferylalkohole u.a. Diese Substanzen und ihre Derivate sind zugleich Intermediärprodukte der Ligninsynthese . Cumarine sind Lactone, die rein formal durch Ringbildung und Ringschluß zwischen Hydroxyl- und Karboxylgruppe aus o-Hydroxyzimtsäuren entstehen. In frischem Pflanzengewebe (z. B. in Blättern von Melilotus alba) liegen sie in gebundener Form als o-Glycosylzimtsäuren vor. Nach Gewebeschädigung wird der Zucker enzymaisch abgespalten, eine trans > cis Isomeration und Ringbildung folgen. Hierdurch wird das duftende Cumarin freigesetzt: "Duft von frisch gemähtem Heu".


Flavonoide: Nach einer Schätzung aus dem Jahre 1975 sind über 2000 verschiedene Flavonoide beschrieben worden. Einige wichtige Vertreter und deren biologische Bedeutung sind der nachfolgenden Tabelle entnehmbar.

Die wichtigsten Klassen der Flavonoide und deren biologische Bedeutung
Klasse
Anzahl bekannter Strukturen
Biologische Bedeutung (soweit bekannt)
Anthocyanin(e)
250
rote und blaue Pigmente
Chalcone
60
gelbe Pigmente
Aurone
20
gelbe Pigmente
Flavone
350
cremefarbene Pigmente in Blüten
Flavonole
350
Fraßschutz (?) in Blättern
Dihydrochalcone
10
einige schmecken bitter
Proanthocyanidine
50
adstringierende Substanzen
Catechine
40
einige haben Eigenschaften, die
den Tanninen verleichbar sind
Biflavonoide ?
65
?
Isoflavonoide
15
Östrogenwirkung, toxisch für Pilze
nach J. B. HARBORNE, 1980

Auch ihre Struktur ist auf eine Grundsubstanz, das C15-Skelett des Flavons zurückführbar. Die Unterscheidung gegenüber den übrigen Klassen phenolischer Sustanzen beruht auf unterschiedlichem Oxydationsgrad des zentralen Pyranrings. Sie unterscheiden sich aber auch grundlegend in ihren biologischen Eigenschaften voneinander. Während manche Klassen (z.B. die Flavonone) farblos sind, sind die Vertreter anderer Klassen (z.B. der Anthocyane) stets gefärbt und sind als Blütenfarbstoffe oder Farbstoffe anderer Pflanzenteile (z.B. von manchen Blättern) bekannt geworden. Die Anthocyanverbindungen sind meist rot oder gelb, die Farbe ist stark pH - abhängig; eine Blaufärbung kann durch Komplexierung (Chelatbildung) mit gewissen Metallionen (z.B. FeIII oder AlIII) erreicht werden.

Die große Variabilität der Flavonoide beruht zu einem nicht unerheblichen Umfang auf dem Hydroxylierungs- und/oder Methylierungsmuster der drei Ringsysteme. Verwandtschaften von Flavonoidstrukturen korrelieren vielfach mit phylogenetischen Verwandtschaften der Pflanzenarten, in denen sie auftreten. Sie haben sich daher als Merkmale bewährt, die geeignet sind - unabhängig vom Vergleich morphologischer Kriterien - Verwandtschaftsbeziehungen bei höheren Pflanzen zu studieren. Eine weitere Gruppe phenolischer Substanzen sind die Chinone, von denen wir bereits einige als Kofaktoren kennengelernt haben. Eigentlich gehören sie daher gar nicht zu den Produkten des Sekundärstoffwechsels, sondern müßten dem Primärstoffwechsel zugeordnet werden. Phenolische Substanzen findet man, wie schon angedeutet, in pflanzlichen Geweben nur selten in freier Form. Meist sind sie an andersartige Molekülreste gekoppelt, besonders oft an Glucosylreste, aber auch an Sulfat- oder Acetylreste. Eine der Ursachen hierfür mag darin zu suchen sein, daß sie in freier Form toxisch sind und durch die Kopplung - zumindest zum Teil - entgiftet werden. Viele niedermolekulare Komponenten, z.B. das Thymol, werden wegen ihrer Toxizität im klinischen Bereich als Antiseptika eingesetzt. Durch unterschiedliche Bindungsarten zwischen Flavonoiden (z.B. den Anthocyanen) und einem Glucosylrest entstehen verschiedenartige Derivate, die ihrerseits ebenfalls die Mannigfaltigkeit von Blütenfarben (und Farbschattierungen) vergrößern. Der Glykosylierung von Flavonoiden in Blättern kommt sicherlich eine andere, doch ökologisch nicht minder wichtige Bedeutung zu. Man hat sie in Verbindung mit Fraßschutz vor Insekten und anderen Tieren gebracht. Unter den Gesichtspunkten biologischer Funktionen können phenolische Substanzen wie folgt gruppiert werden.

Ökologische Bedeutung einiger phenolischer Substanzen in Pflanzen
Funktion
Stoffklasse
Beispiel(e) und Pflanzenart.
an (in) der die Wirkung untersucht wurde
Blütenfarbstoffe
Anthocyanin
Chalcon
Auron
Gelbe Flavonole
Flavon
Cyanidin 3,5-Diglucosid in Rosa
Coreopsin in Coreopsls tinstoria
Aureusin in Antirrhinum majus
Gossypetin 7-Glucosid in Gossypium
Apigenin 7-Glucosid in Bellis perennis
Fruchtfarbstoffe
Anthocyanin
Isoflavon
Chalcon
Petunidinglucosid in Atropa belladonna
Osajin in Maclura pomifera
Okanin in Kyllingi brevifolia
Allelopathische Agentien
Chinon
Phenol
Phenolkarbonsäure
Hydrozimtsäure
Juglon in Juglans regia
Hydrochinon in Arctostaphylos
Sialinsäure in Quercus falcata
Ferulasäure in Adenostoma
Fraßschutz
Chinon
Tannin
Flavonol
Juglon in Carya ovata
Gallotannin in Quercus robur
Quercitin-Glykoside in Gossypium
Fungizid
Isoflavon
Phenolkarbonsäure
Dihydrochalon
Luteon in Lupinus
Protokatechusäure in Allium
Phloridzin in Malus pumila
Phytoalexine
Stilben
Phenylanthren
Isoflavan
Pterocarpan
Phenylpropanoid
Furocumarin
Resveratrol in Arachis hypogaea
Orchinol in Orchis militaris
Vestitol in Lotus corniculatus
Pisatin in Pisum sativum
Coniferylalkohol in Linum usitiltissimum
Psoralen in Petroselinum crispum
nach J. B. HARBORNE, 1980



© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de