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Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Bakterien - Gentechnik



Crown-gall-Tumoren, Agrobacterium tumefaciens

Tumorbildung in pflanzlichen Geweben kann durch Bakterien, Viren oder genetische Faktoren hervorgerufen werden. Vielfach entstehen Tumoren nach Bastardierung zwischen verwandten Arten, z.B. aus den Gattungen Brassica, Bryophyllum, Lilium, Lycopersicon und Nicotiana. Am besten charakterisiert sind solche aus der Kreuzung Nicotiana glauca x Nicotiana langsdorfii. Offensichtlich ist ihr Auftreten der Ausdruck mangelnder Kooperativität der beiden elterlichen Genome. Im folgenden werden wir uns aber ausschließlich mit den Crown-gall-Tumoren (Wurzelhalsgallen) auseinandersetzen, die durch ein Plasmid induziert werden, das durch das Agrobacterium tumefaciens übertragen wird (J. SCHELL und Mitarbeiter, Universität Gent/Belgien, 1974, und Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln-Vogelsang).

Die transformierten Zellen (Tumorzellen) und die sich daraus entwickelnden Kalli sind weniger anspruchsvoll als normal differenzierte Zellen. So kommen sie u.a. ohne eine externe Auxinzufuhr aus, sie sind somit auxinautotroph. Auxinautotrophie tritt gelegentlich auch bei normal differenzierten Zellen auf, wodurch die sogenannten "habituierten" Zellen entstehen.

Durch Agrobacterium tumefaciens hervorgerufene Crown-gall-Tumoren sind bei über 100 Gattungen der Dikotyledonen nachgewiesen worden. Obwohl auch manche Monokotyledonen infizierbar sind, unterbleibt dort die Tumorbildung.

Eine zweite Bakterienart, Agrobacterium rhizogenes, induziert bei einer Anzahl von Arten Wurzeltumoren, und auch hier ist ein Plasmid mit im Spiel (Ri-Plasmid).

Es gibt zwei Typen von Crown-gall-Tumoren, einmal die sogenannten Teratome, das sind solche Tumoren, aus denen ständig entweder sproß- oder blattähnliche Gebilde oder wurzelförmige Anhänge herauswachsen, und zum anderen Tumoren, bei denen keine auffälligen Differenzierungen erkennbar sind.

Welcher Tumortyp entsteht, hängt allein vom Plasmidtyp (Ti-Plasmid, Tumorinduzierendes Plasmid) ab. Das Plasmid wird nach der Infektion durch das Bakterium in die Pflanzenzelle eingeschleust und in ihr Genom inkorporiert. Es ist relativ groß, und es gibt von ihm eine Reihe verschiedener Typen mit Molekulargewichten zwischen 100 und 170 x 106. Der Durchschnittswert liegt bei 112 x 106, die Durchschnittslänge bei 54 µm. Nur ein kleiner Abschnitt davon - die T-DNS - ist für die tumorinduzierende Wirkung verantwortlich. Auf dem Plasmid lokalisierte Gene sind sowohl im Bakterium als auch in der Pflanzenzelle exprimierbar, und das heißt, daß es gleichermaßen über Pro- und Eukaryotenpromotoren verfügt. Damit ist auch die Möglichkeit eröffnet, es als Vektor zum Einschleusen von Fremdgenen in das pflanzliche Genom zu verwenden, und in der Tat erwies es sich als ideales Hilfsmittel für gentechnische Versuche an Pflanzen. Die Lebensdauer der Bakterien in Pflanzenzellen ist nur recht kurz, der neoplastische Zustand (Tumorzustand) ist stabil und bleibt auch in bakterienfreien Zellen erhalten, wodurch gezeigt wurde, daß die Bakterien selbst nur als Transportvehikel zum Einbringen des Plasmids in die Pflanzenzellen benötigt werden. Die derart transformierten (zu Tumorzellen gewordenen) Zellen akkumulieren "seltene" Aminosäurederivate: Octopin oder Nopalin, beides sind Abkömmlinge des Arginins.

Die zu ihrer Synthese und zum Abbau benötigten Enzyme sind plasmidcodiert. Es gibt aber nur Octopin- oder nur Nopalin-metabolisierende Plasmide. Der Aufbau dieser Aminosäurederivate erfolgt in den Pflanzenzellen, der Abbau in den Bakterien und es sieht daher so aus, als hätten sich die Bakterien damit in der Pflanzenzelle eine sichere Nahrungsquelle erschlossen.

In den letzten Jahren sind die Ti-Plasmide eingehend studiert worden, wobei zwei Arbeitsstrategien verfolgt wurden:

  1. Man bearbeitet die Struktur der Plasmide und charakterisiert die auf ihnen liegenden Gene. Besonderes Interesse erweckt die T-Region (T-DNS), denn

  2. Man ist bemüht, das Ti-Plasmid so zu verändern, daß es als Vehikel für andere Gene verwendet werden kann, die man in eine Pflanzenzelle einführen möchte. Dabei kommt es darauf an, Abschnitte zu entfernen, die für gentechnisches Arbeiten überflüssig erscheinen. Die Kombination von Ti-Plasmidfragmenten mit Teilen anderer bakterieller Plasmide erlaubte es, das Wirtsspektrum zu erweitern. So haben z.B. R. A. SCHILPEROORT und Mitarbeiter (Universität Leiden) das Ti-Plasmid in Rhizobium-Arten inkorporiert. Das sind die stickstoffbindenden Knöllchenbakterien der Leguminosen . Sie verfügen über einen eigenen Mechanismus, in Pflanzenzellen einzudringen. Einige der Arten (nicht alle !) erwerben nach der Plasmidaufnahme die Fähigkeit zur Tumorinduktion. Die Gattungen Agrobacterium und Rhizobium gelten als nahe verwandt, beide sind gramnegative Bodenbakterien.


Worauf beruht die eigentliche tumorinduzierende Wirkung der Ti - Plasmide?

Die T-DNS enthält, außer den zum Octopin- oder Nopalin- Auf- und Abbau erforderlichen Genen, Abschnitte, die

  1. das Wachstum und die Differenzierung der Pflanzen kontrollieren, und die
  2. den Stoffwechsel der Pflanze unmittelbar beeinflussen.

Die Plasmid-DNS wird in Pflanzenzellen durch die RNS-Polymerase II transkribiert. Neoplastische, plasmidtransformierte Zellen sind hormonautotroph. Es lag daher nahe, nach Genen zu suchen, deren Produkte das Hormonsystem der Pflanze stören. Unter Einsatz gentechnischer Methoden wurde gezeigt, daß die T-DNS aus allen getesteten Ti-Plasmidtypen sechs konservativ strukturierte Transkriptionseinheiten enthält. Es gibt allerdings Mutanten, denen die eine oder andere Einheit fehlt.

Wie eingangs erwähnt, sind viele der Tumoren (so auch die hier untersuchten) Teratome; d.h., ihre Zellen können sich alternativ zu Sprossen, zu Wurzeln oder zu beiden differenzieren. Die Genprodukte 1 und 2 verhindern eine Sproßdifferenzierung, sie induzieren Wurzelbildung. Einen ähnlichen Effekt beobachtet man in Kalluskulturen normaler (auxinabhängiger) Zellen nach einer Auxinzugabe zum Medium. Das Genprodukt 4 verhindert eine Wurzelbildung und stimuliert statt dessen eine Sproßbildung. Analog dazu ist die Wirkung von Cytokininen auf normale Zellen. Das Gen 4 allein ist zur Tumorbildung ausreichend, es ist also nicht auf die Aktivitäten der anderen angewiesen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Gene 1, 2 und 4 zusammen das Auxin- / Cytokiningleichgewicht in transformierten Zellen verschieben und die Zellen dadurch in einen weitgehend undifferenzierten (neoplastischen) Zustand überführen. Die entsprechenden Genabschnitte konnten auf geeignete, in Escherichia coli exprimierbare Plasmide übertragen und dort zur Expression gebracht werden. Das Genprodukt von Gen 2 erwies sich als eine Amidohydrolase, die die Reaktion.

Indol-3-Acetamid (IAM) > Indol-3-Essigsäure (IES)

katalysiert. Es ist das gleiche Enzym, das in Pflanzen den terminalen Schritt der Auxinbiosynthese bewirkt.

Das Produkt des Gens 4 wird für die Cytokininsynthese benötigt. Die eingangs erwähnten Mutanten, bei denen die Tumoren nur Wurzeln oder nur Sprosse bilden, zeichnen sich durch das Fehlen des jeweils benötigten Hormons aus. (G. SCHRÖDER, S. WAFFENSCHMIDT, E. W. WEILER und J. SCHRÖDER, Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln, und Institut für Biologie, Universität Freiburg, 1984; I. BUCHMANN, F.-J. MARNER, G. SCHRÖDER, S. WAFFENSCHMIDT, J. SCHRÖDER, 1985).


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de