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Speicher- oder Reserveproteine


Speicherproteine (Reserveproteine) umfassen eine Gruppe von Proteinen, die vornehmlich während der Samenbildung produziert, in Samen gespeichert werden und den sich entwickelnden Embryonen während der Keimung als Stickstoffquelle dienen. Es ist für die Pflanze offensichtlich effektiver - anstelle von sekundären Pflanzenstoffen -, Proteine hierfür zu nutzen. Durchschnittlich beträgt der Proteinanteil von Getreidekörnern etwa 10-15 Prozent ihres Trockengewichts, bei Leguminosensamen liegt er bei 20-25 Prozent, während er in normalen Blättern lediglich den Wert von 3-5 Prozent erreicht.

Außer in Samen findet man Reserveproteine in Wurzel- und Sproßknollen, so u.a. in den Kartoffelknollen.

Es gibt keine klare Definition für ein Speicherprotein, es ist ein operationaler Begriff, den man für Proteine benutzt, deren Anteil am Gesamtzellprotein über fünf Prozent liegt. Üblicherweise lassen sich darüber hinaus die folgenden Merkmale aufzählen:

  1. Die Proteine verfügen über keine enzymatischen Aktivitäten.
  2. Sie dienen keimenden Samen als Stickstoffquelle (s.o.).
  3. Sie liegen in der Zelle normalerweise in aggregierter Form in membranumgebenen Vesikeln
    (Proteinkörpern, Aleuronkörnern) vor.
  4. Sie bestehen vielfach aus einer Anzahl verschiedener Polypeptidketten.

Speicherproteine sind für die menschliche Ernährung bedeutungsvoll (pflanzliche Proteine), und deshalb sind vor allem in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiten erschienen, die sich mit ihrer Struktur und Biosynthese befassen. Darüber hinaus war und ist man bemüht, Mutanten zu gewinnen, deren Proteinanteil erhöht oder deren Gehalt an essentiellen Aminosäuren gesteigert ist.

Wie an anderer Stelle dargestellt wird, lassen sich unter Einsatz gentechnischer Verfahren Genstrukturen analysieren und Antworten z.B. auf die folgenden Fragen geben:

Von wie vielen Genen wird ein Protein codiert oder
welche Beziehung besteht zwischen fertigem Produkt und der Struktur des entsprechenden Gens (= des entsprechenden Abschnitts der DNS)?

Eine vereinfachte Regel besagt, daß Leguminosen vornehmlich zwei Speicherproteintypen, Legumin und Vicelin, enthalten. Die Legumine - ebenso wie die Viceline - der verschiedenen Leguminosenarten ähneln einander. Bei den Gramineen liegt ein dritter Typ vor: Prolamin, und je nach Herkunft unterscheidet man z.B. zwischen den Zeinen (aus Zea mays), den Hordeinen (aus Gerste: Hordeum vulgare) u.a.

Im Gegensatz zu den Leguminen und den Vicelinen, die in Samen vornehmlich in den Kotyledonen lokalisiert sind, sind die Prolamine im Endosperm enthalten.

Legumin. Die ersten ausführlichen Untersuchungen pflanzlicher Reserveproteine wurden von T. B. OSBORNE (Connecticut Agricultural Experimental Station) gegen Ende des vorigen Jahrhunderts begonnen, ein Zwischenbericht erschien 1924 in seinem Werk "The vegetible proteins". OSBORNE wies nach, daß die Samen von Pisum sativum zwei Proteinfraktionen, Legumin und Vicelin, enthalten und ähnliche Proteine auch aus Samen anderer Leguminosen, wie Phaseolus vulgaris oder Glycine max, isolierbar sind.

Weiterführende Untersuchungen in späteren Jahren ergaben, daß Legumine in Samen zahlreicher Dikotyledonenfamilien vorkommen und eine dem Legumin ähnliche Verbindung auch von Monokotyledonen gebildet wird. Es sind meist Polymere mit Molekulargewichten von 300 000 - 400 000. Typischerweise bestehen sie aus zwei Arten von Untereinheiten, den sauren und den basischen Polypeptiden. Die Quartärstruktur ist aus je sechs sauren und sechs basischen Polypeptiden, die durch Disulfidbrücken miteinander verknüpft sind, zusammengesetzt. Hieran anschließend ließe sich fragen, wie es kommt, daß beide Polypeptide in der Pflanze stets in gleichen Mengen (äquimolaren Mengen) auftreten und wie diese Proteine in das Innere der Vesikel gelangen.


Leguminsynthese: Posttranslationsprocessing. a. Präprolegumin ist das vollständige, primäre Translationsprodukt. Die N-terminale Transitsequenz (t) wird zum Durchschleusen durch eine Membran benötigt, anschließend wird sie abgespalten. b. eine Disulfidbrücke wird ausgebildet. Es entsteht das Prolegumin. c. Die Polypeptidkette wird durch eine Endopeptidase in die beiden Leguminketten alpha und beta zerlegt. Sie bleiben durch die Disulfidbrücke vereint. Ein fertiger Leguminmolekülkomplex enthält sechs derartiger Einheiten (Nach K. MÜNTZ et al., 1985, verändert 1988).




Man weiß durch das Studium anderer sekretorischer Proteine (aus tierischen Zellen), daß sie in Form einer Vorstufe gebildet werden. Die Polypeptidkette trägt an ihrem N-terminalen Ende eine Signalsequenz, bestehend aus ca. 20, meist hydrophoben Aminosäuren. Die zunächst noch ungefaltete Polypeptidkette wird während der Synthese durch die Membran "hindurchsynthetisiert". Nach dem Durchtritt wird die Signalsequenz proteolytisch, d.h. unter Mitwirkung eines proteinspaltenden Enzyms, entfernt. Genau dieser Mechanismus trifft auch auf pflanzliche Legumine zu. Darüber hinaus erfolgt eine zusätzliche proteolytische Spaltung der gebildeten Polypeptidkette in zwei Teile, die durch eine Disulfidbrücke verbunden bleiben und die unsere bereits genannten sauren und basischen Untereinheiten sind. Das fertige Molekül ist demnach das Ergebnis einer schrittweisen Bearbeitung eines primären Genprodukts. Eine ähnliche Situation ist schon lange vom Insulin her bekannt, auch dort sind die A- und die B-Kette Spaltprodukte einer zunächst zusammenhängenden Polypeptidkette.

Vicelin. Viceline sind Glykoproteine mit einem Anteil von 1-5% neutraler Zuckerreste. Auch sie bestehen aus mehreren Polypeptidketten, die zu einer Quartärstruktur vereint sind. Wie bei den Leguminen sind es Spaltprodukte eines primären Genprodukts.

Prolamine. Die Prolamine, Reservestoffe der Gramineen, sind durch einen hohen Prolin- und Glutaminanteil gekennzeichnet, daher der Name; sie sind alkohollöslich. Sie verfügen über eine Signalsequenz, doch im Gegensatz zu den Leguminen und Vicelinen wird die Polypeptidkette nicht in Einzelteile zerlegt. Es sind Produkte einer Vielzahl von Genen, deren Zahl man auf 30-100 (im haploiden Genom) schätzt. Anders als die Gene der Leguminosenspeicherproteine enthalten sie keine Introns, d.h., die Gene bestehen aus je einem zusammenhängenden, ununterbrochen exprimierten DNS-Abschnitt. Zu den bekanntesten Prolaminen zählen die Zeine, die Reserveproteine des Mais. Sie machen bis zu 50% des Endospermgesamtproteins aus. Es sind Polypeptidketten mit Molekurgewichten von 10 000, 15 000, 19 000, 22 000 und 27 000. Die Polypeptidkette der 22 000- und 19 000-Proteine bestehen aus mehreren (bis zu acht) hintereinandergeschalteten, einander ähnlichen Aminosäuresequenzabschnitten:

A-B-C-D-E-A-B'-C-D-E-A'-B-C'-D-E-A-B-C-D'-E . . .

In jedem dieser Abschnitte (Domänen) ist die Polypeptidkette zu einer alpha-Helix gewunden. Die alpha-Helices sind durch nichthelicale Abschnitte miteinander verbunden. Die Tertiärstruktur des Moleküls ähnelt damit einer Gruppe parallel angeordneter Zylinder. Die einander homologen Abschnitte sind Produkte von Genabschnitten, die durch mehrfache Duplikationen eines kurzen Urgens hervorgegangen sind und dann tandemartig zu einem Gen zusammengeschlossen wurden. Durch Analyse von Proteinen tierischer Zellen sind zahlreiche Fälle dieser Art beschrieben worden. Zein und WGA sind eindrucksvolle Beispiele dafür, daß dieser Mechanismus auch im Pflanzenreich realisiert ist. Zeine sind lysin- und tryptophanarm und daher für die menschliche Ernährung weniger wertvoll als Proteine mit einem höheren Anteil dieser essentiellen Aminosäuren.

Wie bereits vermerkt, sind beim Mais Mutanten mit erhöhtem Lysingehalt gezüchtet und auch in Kultur genommen worden (opaque-2, opaque-7 floury-2 u.a.). In ihnen ist allerdings nicht die Zeinstruktur verändert, sondern der Zeinanteil am Gesamtprotein ist drastisch reduziert. Der relative Anteil anderer, lysinreicherer Speicherproteine steigt. Die Gesamtproteinmenge ist geringer als beim "normalen" Mais.


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de