Replikation
Replikation bedeutet DNS-Verdopplung. Rein formal haben wir den Vorgang bereits bei der Besprechung des DNS-Moleküls und bei der Besprechung des Zellzyklus behandelt. Es entsteht demnach an jedem der beiden Stränge einer DNS-Doppelhelix ein neuer Strang, so daß am Ende zwei gleichwertige Stränge vorliegen. Während des Zellzyklus läuft dieser Vorgang in der S-Phase ab. Bei einer anschließenden Zellteilung erhält jede der Tochterzellen einen der Stränge (ein Chromatid). Jeder Doppelstrang enthält einen elterlichen und einen neu synthetisierten Strang (= semikonservative Replikation). Der Nachweis der semikonservativen Replikation bei höheren Pflanzen wurde an Nicotiana tabacum erbracht.
Wie schon angedeutet, muß die Replikation mit höchster Präzision ablaufen, denn Fehler sind in der Regel im nachhinein nicht wiedergutzumachen. Es sind daher auch hier eine Anzahl von Kontrollmechanismen vorhanden, die noch während des Verlaufs der Replikation fehlerhafte Abschnitte (z.B. thermodynamisch ungünstige Basenpaarungen) entfernen und durch korrekt nachsynthetisierte ersetzen.
Die Syntheserichtung aller Polymerasen (hier DNS-abhängige DNS-Polymerasen, abgek.: DNS-Polymerasen) ist stets 5' > 3'.
In eukaryotischen Zellen (einschließlich der Pflanzen) kommen drei voneinander verschiedene DNS-Polymerasen vor: alpha, beta, gamma. Sie unterscheiden sich in ihren Molekulargewichten voneinander. Der alpha- und der gamma-Polymerase werden Funktionen bei der Replikation zugeschrieben, der beta-Polymerase eine Funktion als Reparaturenzym. Für die Replikation der DNS in Chloroplasten und Mitochondrien steht je eine weitere Polymerase zur Verfügung.
Um zwei Doppelstränge zu erhalten, müssen als erstes die Wasserstoffbrücken zwischen den beiden Elternsträngen gelöst werden (Schmelzen der DNS).
Wir haben zwar bei der Besprechung von Wechselwirkungen gesehen, daß zu ihrer Lösung keine Enzyme benötigt werden, doch eine so hochgeordnete Struktur wie die Watson-CRICK-Doppelhelix wird nicht nur durch eine hohe Zahl von Wasserstoffbrücken stabilisiert, sondern auch durch Wechselwirkungen (van der Waals'sche Interaktionen) zwischen den flächig übereinander liegenden Basenpaaren (= Stapelungsenergie, stacking energy). In der Summe sind die Kräfte so stark, daß sie unter physiologischen Bedingungen der thermischen Bewegung widerstehen, sich daher nicht von alleine lösen. Zur Trennung eines Doppelstrangs müssen deshalb auch hier wieder Proteine ins Spiel gebracht werden. Man nennt sie Entwindungsproteine (unwinding proteins). In Bakterienzellen findet man sie in großer Menge, doch auch in Hefezellen und in tierischen Zellen wurden sie nachgewiesen. Der Nachweis für Pflanzen steht zwar aus, doch spricht viel dafür, daß sie auch dort vorkommen. Die DNS-Polymerasen initiieren keineswegs an jeder beliebigen Stelle eine Neusynthese. Die Enzyme können von sich aus gar nicht einmal starten, denn zu ihren Eigenschaften zählt, daß sie lediglich bestehende Polynukleotidketten verlängern.
Es scheint daher eine DNS-abhängige RNS-Polymerase mit im Spiel zu sein (bei Bakterien nachgewiesen, bei Pflanzen vermutet), die zunächst ein kurzes Stück RNS (einen Primer, Starter) bildet, das dann als DNS verlängert wird. Die am Start eingebauten Ribonukleotide werden in einem nachfolgenden Schritt durch ein Reparaturenzym wieder entfernt und durch Desoxyribonukleotide ersetzt.
Der Startpunkt einer Replikation auf der DNS wird als Replikationsorigin (origin) bezeichnet. Während, rein formal, die Replikation von einem der beiden Stränge leicht erklärbar ist, stößt die des dazugehörigen Komplementärstrangs auf Schwierigkeiten. Da das Enzym ja nur in einer Richtung arbeitet, müßte jener von "rückwärts" her aufgebaut werden, und die Synthese würde zu kleinen Stücken führen.
Das ist in der Tat auch der Fall. Nach ihrem Entdecker werden sie als OKAZAKI-Stücke bezeichnet. In Pflanzenzellen sind sie größenordnungsmäßig 200 Nukleotide lang. In einem zweiten Schritt werden sie durch eine Ligase zu einem einheitlich durchgehenden Strang verknüpft. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß ein Chromatid aus nur einem ununterbrochenen DNS-Molekül besteht. Die Länge liegt in der Größenordnung von mm bis cm. Betrachtet man die Synthesegeschwindigkeit der DNS-Polymerase, erkennt man sofort, daß die Replikation niemals in einem so kurzen Zeitraum abgeschlossen werden kann, wie er in der S-Phase zur Verfügung steht (maximal 10-20 Stunden). Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, daß sich eine DNS-Doppelhelix ohne ständige Drehung um die eigene Achse nicht in Einzelstränge zerlegen läßt. Beide Schwierigkeiten werden in der Zelle umgangen:
Die Replikation beginnt gleichzeitig an zahlreichen Stellen. Die Länge der Replikationseinheiten ist artspezifisch.
Um dem Drehmoment entgegenzuwirken, wird der zu replizierende Strang in regelmäßigen Zeitabständen gespalten und nach Entwicklung (Freisetzung von Torsionsenergie) wieder repariert.
In der Regel sind Replikation und Zellzyklus miteinander gekoppelt, doch bedingt eine Replikation nicht zwangsläufig eine Zellteilung. In Pflanzenzellen sind Endopolyploidisierungen häufig, d.h., die DNS vermehrt sich, die Chromosomenzahl verdoppelt (vervielfacht) sich, doch die Teilung unterbleibt. Die Chromosomen können in einem Kern verbleiben, der dann polyploid wird, oder es kann eine Mitose ablaufen, so daß sie sich auf zwei Kerne verteilen. Zellen mit mehreren Zellkernen bezeichnet man als polyenergid.
Neben der Polyploidisierung kommt Polytänisierung vor. Dabei wird die Chromatidenzahl pro Chromosom vervielfacht. Das Paradebeispiel dafür sind die Riesenchromosomen.
Die bisherigen Aussagen gingen stillschweigend von der Annahme aus, ein DNS-Molekül werde gleichmäßig in seiner vollen Länge repliziert. Auch diese Verallgemeinerung gilt nicht uneingeschränkt. Bei einer Anzahl von Pflanzen- (und Tier-)Arten wird bei einer Polyploidisierung (und Polytänisierung) lediglich das Euchromatin (d.h. nicht repetitive Abschnitte und ein Teil repetitiver) repliziert. Werden nur Teile eines DNS-Moleküls vervielfacht, spricht man von Amplifikation. Die eben genannten Fälle sind in Pflanzen keine Besonderheiten, sondern sind weit verbreitet. Zusammenfassend sind aufgrund experimentell emittelter Daten folgende Schlüsse zulässig:
Die meisten differenzierten Zellen nahezu aller Angiospermen (und grüner Pflanzen aus anderen systematischen Gruppen) enthalten mehr DNS, als einem diploiden Genom entspricht. (Die DNS der Chloroplasten und Mitochondrien bleibt bei dieser Aussage unberücksichtigt.) | |
Die selektive Vervielfachung von DNS beruht entweder auf Vervielfachung eines großen (doch unvollständigen) Anteils des Genoms oder auf gesteigerter Amplifikation eines nur kleinen Anteils. | |
Es sammeln sich Hinweise darauf, daß eine derartige selektive Replikation für die Zelldifferenzierung, die Funktion der Zelle und die Morphogenese (Organ- und Gewebebildung) erforderlich ist. Als Folge davon ist eine derart modifizierte Zelle nicht mehr omnipotent. | |
Die Polyploidisierung (sowohl die vollständige als auch die partielle) muß im Zusammenhang mit der Evolution von DNS, und damit der Evolution der Arten gesehen werden. |
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