Zur Aufrechterhaltung einer Vielzellerorganisation oder zum Austausch genetischer Information zwischen Einzellern sind zahlreiche Interaktionen zwischen den beteiligten Zellen erforderlich. Man unterscheidet dabei einmal zwischen Nachbarschaftsbeziehungen und zum anderen zwischen Fernwirkungen. Zur Ausübung eines Einflusses muß eine Zelle ein Signal aussenden, und die beeinflußte Zelle muß es erkennen können, muß also über einen Empfänger verfügen. Für Signal und Empfänger sind auch die Begriffe Effektor oder Elicitor (Auslöser) und Rezeptor gebräuchlich.
Die von pflanzlichen Zellen erzeugten Signale sind entweder bestimmte Moleküle oder physikalische Kräfte, z.B. Druck, den eine Zelle auf die benachbarte ausübt und der diese an ihrer weiteren Entwicklung hemmt. Die Moleküle können den unterschiedlichsten Klassen angehören. Es können Ionen oder einfache Metaboliten sein, mit denen eine Zelle eine weitere versorgt. Es können kleine spezifische Effektoren sein wie die Phytohormone, mit deren Wirkung wir uns im Detail später befassen werden, und schließlich können es membran- oder zellwandgebundene Makromoleküle sein, die am Zusammenhalt und der Steuerung der Interaktionen benachbarter Zellen beteiligt sind.
Im Gegensatz zu Tieren verfügen Pflanzen über kein effizientes Verteilungssystem für Makromoleküle (und Zellen). Es sind daher, anders als dort, auch keine makromolekularen Effektoren mit Fernwirkungsaktivität bekannt. Daß die Leitbahnen der Pflanzen dennoch einer Verteilung von makromolekularen Komplexen dienen können, beweist die Ausbreitung von Viren in pflanzlichen Geweben.
Pflanzliche Zellen sind im Gewebe ortsgebunden. Ihre Position erklärt sich aus ihrer ontogenetischen Entstehung heraus. Die Bedeutung der Positionsinformation in diesem Zusammenhang haben wir bereits behandelt. Es gibt im Pflanzenreich nur wenige Situationen, in denen Zellen durch aktive oder passive Bewegung in Kontakt mit anderen geraten und - durch den Kontakt bedingt - spezifische Reaktionen in beiden hervorrufen. In erster Linie sind hier natürlich die sexuellen Vorgänge sowie die beim Parasitismus auftretenden Wechselwirkungen zwischen Wirt und Parasit zu nennen. Parasitierende Blütenpflanzen entziehen ihren autotrophen Wirten Nährstoffe. Mit Haustorien dringen sie entweder in die Wurzel oder in den Sproß ein und nehmen mit den Assimilate-leitenden Geweben direkten Kontakt auf. Die Interaktionen zwischen Wirt und Parasit sind artspezifisch und sind auf eine exakte Abfolge von Wachstums- und Differenzierungsschritten angewiesen.
Bei der Initiation eines Kontakts zwischen Parasit und Wirt wirken sekundäre Pflanzenstoffe als Erkennungssignale, z.B. das aus Baumwollwurzeln isolierte Strigol (R. KOLLMANN, I. DÖRR, 1987)
Sexualität ist ein hochspezifischer Prozeß, denn nur gleichartige Genome können miteinander kooperieren und zu einer funktionstüchtigen Zygote verschmelzen. Im Verlauf der Evolution sind daher in allen Organismenreichen Sicherheitsvorkehrungen entwickelt worden, die einer Vereinigung nichtkompatibler Genome entgegenwirken sowie eine Vereinigung kompatibler (gleichartiger) Genome fördern. Dabei sind mehrere aufeinanderfolgende Schritte zu vollziehen.
Anlockung: Bei ein- und mehrzelligen Algen u.a. produziert die weibliche Eizelle einen niedermolekularen Effektor (ein Gamon), der ins umgebende Medium abgeschieden wird, von den arteigenen Gameten erkannt wird, und der sie veranlaßt, sich entlang des Diffusionsgradienten in Richtung höchster Konzentration zu bewegen. Der Nachteil des Verfahrens liegt in der geringen Reichweite und der Materialvergeudung. Es funktioniert nur dann, wenn weibliche und männliche Gameten in großer Menge vorhanden sind. Die Trefferquote bleibt dennoch gering.
Erkennung und Adhäsion: Nach dem Zusammentreffen zweier Zellen muß geprüft werden, ob sie zueinander passen. Nur zwischen kompatiblen Zellen wird nach der Erkennung ein dauerhafter Kontakt erstellt. Hieran sind vornehmlich membran- oder zellwandgebundene Makromoleküle beteiligt. So ist es beispielsweise ein hydroxyprolinreiches Glykoprotein an der Geißeloberfläche von Chlamydomonas, das eine Agglutination der Zellen an ihren Geißeln bewirkt. Bei den Blütenpflanzen ist die Pollen-Stigma-Interaktion zu nennen. Auch hier ist die Mitwirkung von Glykoproteinen entscheidend. Wie wir noch an anderen Beispielen sehen werden, und wie man dies auch von Erkennungs- und Adhäsionsreaktionen zwischen tierischen Zellen weiß, spielt diese Molekülklasse eine herausragende Rolle bei der Ausbildung intrazellulärer Kontakte aller Art. Die Spezifität wird dabei sowohl durch die Proteinstruktur als auch durch das Muster der angehefteten Zuckerreste gewährleistet. Lektine oder lektinähnliche Moleküle sind an einer Bindung zwischen Kohlenhydratanteil und Protein, oder - als Brücken - zwischen gleichartigen Kohlenhydratresten nachbarter Zellen beteiligt.
Spezifische Wechselwirkungen dieser Art treten auch bei den Interaktionen zwischen Pflanzen und ihren Symbionten oder Parasiten in Erscheinung. Einzelheiten über die wechselseitigen Beziehungen zwischen Bakterien und Pflanzen, Pilzen und Pflanzen sowie zwischen Viren und Pflanzen werden an anderer Stelle vorgestellt. In allen bisher darauf untersuchten Fällen konnte die Bedeutung der Zellwand mit den in ihr lokalisierten Effektor- und Rezeptormolekülen unter Beweis gestellt werden.
Eindringen einer Fremdzelle ins Gewebe: Dieser Schritt ist am anschaulichsten am Befruchtungsvorgang der Angiospermen (Bedecktsamer) zu erläutern. Ein Pollenkorn keimt auf der Narbenoberfläche aus, der dabei entstehende Pollenschlauch dringt in das Narben- und Griffelgewebe ein und bahnt sich seinen Weg zur Eizelle. Die Reaktion erfolgt durch eine enzymatisch katalysierte Aufweichung der Zell-Zell-Kontakte im Gewebe. Die benötigten Enzyme werden sowohl vom Pollen als auch von der Narbe, respektive dem Griffelgewebe gestellt. Nur bei arteigenem Pollen funktioniert die Abstimmung der Aktivitäten so reibungslos, daß der Pollenschlauch seinen durch die Anatomie des Griffels vorgezeichneten Weg findet. Das Durchwachsen eines Gewebes durch ein anderes wird uns auch bei der Besprechung von Wirt-Parasit- (Symbiont)-Beziehungen begegnen.
Verschmelzen zweier Zellen. Solange pflanzliche Zellen von einer Wand umgeben sind, kann keine Zelle in eine andere eindringen und mit ihr verschmelzen. Eine Verschmelzung erfolgt nur, wenn die Wand von vornherein fehlt oder wenn sie lokal perforiert werden kann. Es ist dann die sequentiell aufeinander abgestimmte Wirkung mehrerer Enzyme erforderlich, um die Vereinigung zweier Zellen zu bewerkstelligen. Es folgt eine Umstrukturierung der Cytoskelette, wodurch eine Umverteilung intrazellulärer Bestandteile bewirkt wird.