1. LON-CAPA Logo
  2. Help
  3. Log In
 


Caryophyllales



Die Caryophyllales zeichnen sich durch einen besonderen Typ von Siebelement-Plastiden aus [P (III) Plastiden].

In den Blüten und anderen Organen von 10 der 12 Familien sind anstelle von Anthocyan Betalaine (= Betacyane und/oder Betaxanthine) enthalten. Dies sind Indolderivate, die man sonst nirgends im Pflanzenreich findet.

Sukkulenz (Blatt- und Stammsukkulenz) ist weit verbreitet. Die Photosynthese verläuft nach dem CAM-, dem C4- oder C3-Schema. In manchen Gattungen (Atriplex) kommen sowohl C4- als auch C3-Arten vor. Sukkulenz und CAM sind Anpassungen an extrem trockene, heiße Standorte, Sukkulenz allein an salzhaltige, und der C4-Weg an warme (heiße), doch nicht unbedingt trockene Standorte. Die Siebröhrenplastiden kennzeichnen die Caryophyllales als eine monophyletische Gruppe. Über das Vorkommen der Betalaine ist viel spekuliert worden. Die beste Erklärung ist, daß es sich um eine sekundäre Erwerbung handelt, nachdem die Vorfahren der heutigen Betalain-Familien in ariden, insektenarmen Gebieten zur Windbestäubung übergegangen waren und die Fähigkeit zur Synthese von Anthocyanen eingebüßt hatten. Später, mit der Besiedlung humider Gebiete, ergab sich ein Wechsel des Bestäubungsmodus zurück zur Entomophilie, und in diesem Zusammenhang entstanden viele auffällig gefärbte Schauapparate.

Die Blüten sind in der Regel zwittrig, doch bei einigen Arten kommen Geschlechtertrennung, Monözie oder Diözie vor (z.B. bei Melandrium (=Silene) dioicum, Melandrium album). Der Fruchtknoten ist meist ober-, selten mittel- oder unterständig. Die Sepalen sind frei oder verwachsen. Das Gynoeceum besteht aus einem oder aus mehreren Karpellen. Verschieden gestaltete Kapseln, Nüsse und Beeren sind die vorherrschenden Fruchtformen. Wie bei den Piperales und den Nymphaeales ist das Nährgewebe ein Perisperm.

Keine der 12 Familien ist wirklich dominierend, der Erfolg der Caryophyllales ist im Besetzen verschiedenartigster ökologischer Nischen zu suchen. Sie kommen in den Tropen, den Subtropen und in der gemäßigten Zone beider Hemisphären vor. Sie besiedeln feuchte, extrem trockene oder salzhaltige Standorte; viele der Arten gelten als Pioniere bei der Erstbesiedlung neuer Lebensräume. Durch diese Leistungen sind sie allen bisher besprochenen Taxa weit überlegen. Zwei Drittel aller Arten gehören den drei Familien Aizoaceae, Cactaceae und Caryophyllaceae an. Die Phytolaccaceae können aufgrund einer Häufung primitiver Merkmale als Basisgruppe der Caryophyllales angesehen werden; die Achatocarpaceae sind von ihnen nur schwer unterscheidbar, stehen ihnen folglich phylogenetisch recht nahe. Die Nyctaginaceae zeichnen sich durch ein monomeres Gynoeceum aus, sie sind daher von den übrigen - mit synkarpem Gynoeceum - getrennt. Eine große Zahl an Gemeinsamkeiten erkennt man zwischen den Aizoaceae, den Didiereaceae und Cactaceae.

Aufgrund anderer Merkmale sind die Amaranthaceae und die Chenopodiaceae, die Portulacaceae und die Basellaceae als verwandte Paare zu werten. In einen basalen Seitenast, der abzweigt, bevor Betalaine entstanden, müssen die Caryophyllaceae - und mit ihnen die Molluginaceae - gestellt werden; beide enthalten nämlich Anthocyane anstelle von Betalainen, und die Caryophyllaceae ähneln in einigen Merkmalen den Polygonales.

Phytolaccaceae: In diese primitive Familie gehören neben Kräutern, Kletterpflanzen, Sträucher und wenige Bäume. Die Leitbündel der arboreszenten Formen sind zu konzentrischen Ringen vereint, in denen sich Xylem- und Phloemschichten abwechseln (Phytolaccaceen-Schema). 125 Arten sind in den Tropen und Subtropen der Neuen Welt, in Südafrika und Südasien verbreitet. Nebenstehendes Bild: Phytolacca americana. Intensive Betalainfärbung der Infloreszenzstiele und Früchte.

Nyctaginaceae: Die Nyctaginaceen sind hauptsächlich tropische und subtropische Kräuter, Sträucher und Bäume. Das sekundäre Dickenwachstum erfolgt nach dem Phytolaccaceen-Schema. Bei einigen Gattungen sind die Blüten zwittrig, bei anderen eingeschlechtig. Die Petalen sind zu einer Blütenröhre verwachsen, die Zahl der Zipfel variiert zwischen drei und acht.

Zwei Gattungen sind hervorzuheben: Bougainvillea (18 Arten) mit leuchtend orange - violett gefärbten Hochblättern, ist einer der auffallendsten Ziersträucher in mediterranen Gärten. Ursprünglich in Südamerika endemisch, sind Bougainvilleen heute durch Kultur weit verbreitet worden. Bougainvillea glabra, Bougainvillea spectabilis, und Bastarde zwischen ihnen, sind die wichtigsten Kultursortnen. Die Hochblattfarben beruhen auf Betalaineinlagerung, ebenso wie Färbung von Früchten.

Mirabilis jalapa (Wunderblume) wurde von C. CORRENS als Versuchsobjekt in die Genetik eingeführt. Der intermediäre Erbgang des Merkmals Blütenfarbe ist fester Bestandteil von der Genetik. Das Öffnen der Blüten folgt einer endogenen Tagesrhythmik; die Öffnungszeit liegt am späten Nachmittag, im Englischen wird die Wunderblume daher four o'clock flower genannt. Auch die Gattung Mirabilis stammt aus dem tropischen Amerika.

Aizoaceae: Die Aizoaceae (Mittagsblumengewächse) sind xeromorph. Sie sind durch Blattsukkulenz gekennzeichnet und dadurch an aride, heiße Standorte angepaßt. Die Photosynthese verläuft fast immer nach dem CAM-Schema, seltener nach einem der beiden übrigen Wege. Das Hauptverbreitungsgebiet sind die Wüsten Südafrikas, außerdem kommen sie in Nordafrika, an der Westküste Kaliforniens und Südamerikas sowie in Australien vor.

Die meist gegenständigen Blätter sind einfach gebaut und oft mit Zähnen versehen. Bei Arten der Gattung Lithops ist der vegetative Teil der Pflanze auf zwei Blätter reduziert, die in Trockenzeiten aneinandergepreßt sind, so eine Kugel bilden, und der Pflanze damit das Aussehen eines Steines verleihen ("Lebende Steine"). Arten anderer Gattungen (Mitrophyllum, Monilaria) zeichnen sich durch Heterophyllie aus. Die Blattform ist von der Jahreszeit (Luftfeuchtigkeit) abhängig. Die Epidermis der Blätter und Stämme der meisten Arten enthalten Blasenzellen. Der Gehalt der Pflanzen an Oxalaten ist sehr hoch.

Einige (Titanopsis) scheiden an den Blättern Quarzkristalle aus. Die meist auffallenden Blüten stehen einzeln oder in kleinen zymösen Infloreszenzen. Die (drei) bis fünf bis (acht) Sepalen sind meist sukkulent, die von Staminodien ableitbaren Petalen sind linear und oft in großer Zahl vorhanden. Ihre Anordnung täuscht die Form eines Compositenköpfchens vor. Die Zahl der Stamina beträgt primär eins bis zehn, doch ist bei vielen Arten eine sekundäre Zunahme festzustellen. Die Blüten enthalten Nektarien, der Pollen ist meist tricolpat, oft ist die Form stark abgewandelt.

Weil sich die Blüten der Aizoaceae nur bei intensiver Sonneneinstrahlung öffnen, nennt man sie auch Mittagsblumengewächse. Wegen der dekorativen Blüten und der flächendeckenden Wuchsform einiger der Arten werden diese in wärmeren Gebieten als Rasenersatz gepflanzt, u.a. schmücken sie fast alle Autobahnböschungen in Los Angeles und anderen kalifornischen Städten.

Den Aizoaceae gehören etwa 2500 Arten an, von denen man ursprünglich rund 2000 der Gattung Mesembryanthemum zuordnete. Nach heutiger Sicht ist dieses sehr heterogene Taxon in eine Vielzahl (ca. 100) eigenständige Gattungen zu unterteilen.

Didiereaceae: Die Didiereaceen sind kakteenähnliche, beblätterte, nur auf Madagaskar vorkommende sukkulente Dornensträucher. Man stellte sie ursprünglich zu den dort verbreiteten sukkulenten Euphorbien, doch die Anwesenheit von Betalainen und P-Plastiden weist auf eine Verwandtschaft mit den übrigen Caryophyllales hin.

Cactaceae: Die Kakteen sind in Nord- und Südamerika beheimatete Stammsukkulente, die in ihren ökologischen Ansprüchen den Aizoaceen gleichen. Die Photosynthese verläuft nach dem CAM-Schema. Manche Arten, z.B. Opuntia ficus-indica (Feigenkaktus), wurden wegen der Eßbarkeit ihrer Früchte und als Wirtspflanzen der Cochenille-Laus (Farbstofflieferant, der im vergangenen Jahrhundert zum Färben von Militäruniformen gebraucht wurde, heute z.B. als Farbstoff von Campari) in verschiedenen Teilen der Erde, vor allem im Mittelmeerraum, auf den Kanaren, Afrika und Australien angebaut und sind vielfach verwildert. Kakteenstämme sind meist blattlos, dafür aber mit zahlreichen Dornen besetzt (Schutz vor Tierfraß). Dornenlos sind die in den Tropen epiphytisch lebenden Gattungen Rhipsalis und Schlumbergera. Das Leitgefäßsystem ist zu netzartig strukturierten Hohlzylindern verbunden; echte Gefäße fehlen.

Einige Arten, z.B. Carnegiea gigantea (Kandelaberkaktus, Saguaro), bilden bis zu 15 Meter hohe, verzweigte "Bäume" aus. Die Verzweigungen werden in Abständen von etwa 75 Jahren angelegt. Die meist einzeln stehenden, radiären Kakteenblüten enthalten zahlreiche Blütenhüllelemente und Stamina sowie einen drei- bis vielteiligen Fruchtknoten.

Oft enthalten die Blüten Nektarien. Die Blütenfarben decken das Spektrum von gelb über orange nach rot ab; daneben kommen weiß blühende Arten vor. Bienen, Schmetterlinge, Kolibris und Fledermäuse sind ihre Bestäuber. Kakteen sind in der Regel Flachwurzler, wodurch sie das wenige, nach sporadischen Regenfällen in den Boden eindringende Wasser optimal nutzen.

Niemand kennt ihre genaue Artenzahl; sie dürfte bei etwa 2000 liegen. Ebenso unsicher ist die Zahl der Gattungen. Man ist gerade dabei, einen Konsensus zu erzielen, und der liegt bei etwa 60 Gattungen.

Wegen der Fülle der Kakteenformen und der Auffälligkeit ihrer Blüten haben die Kakteen viele Liebhaber gefunden, die regionale und nationale Vereinigungen gegründet haben (Deutsche Kakteengesellschaft). Regelmäßig erscheinende Zeitschriften (mit Kulturanleitungen und Beschreibung neuer Formen), Tagungen und Ausstellungen gehören zu deren Aktivitäten.


BLÜTENDIAGRAMM:
Chenopodiaceae

© S. LIEDE


Chenopodiaceae: Die Chenopodiaceae (Gänsefußgewächse) sind meist Kräuter mit einfachen, zuweilen fleischigen (sukkulenten) Blättern. Holzarten zeichnen sich durch ein sekundäres Dickenwachstum nach dem Phytolaccaceen-Schema aus. Die Photosynthese läuft nach dem C4-oder dem C3-Schema ab. Die Blüten sind stets klein und unscheinbar, zwittrig oder eingeschlechtig und zu knäuligen, trugdoldigen oder zymösen Blütenständen vereint. Die Blütenhülle ist meist grün, gelegentlich rötlich. Nach dem Abblühen verhärtet sie, umhüllt die Frucht und wird mit ihr zusammen verbreitet. Die Chenopodiaceen sind in gemäßigten und subtropischen Zonen verbreitet. Sie bevorzugen aride oder semiaride Areale, viele der Arten sind halophil.

Typisch hierfür ist der blattlose Queller (Salicornia europaea), eine Pionierart der Gezeitenzone europäischer Meeresküsten, so der Nordsee. Der Queller spielt bei der Landgewinnung eine entscheidende Rolle, denn sein verzweigter Sproß sorgt für Wasserberuhigung und fördert damit die Sedimentation; das tiefgehende Wurzelwerk schützt die Sedimente vor Erosion. Er ist gegenüber zeitweiliger Überflutung resistent. Eine weitere Charakterpflanze der Küsten ist Salsola kali, das Salzkraut.

Chenopodium (Gänsefuß-) und Atriplex-(Melden)-Arten sind auf Schutt, an Wegrändern und als Ruderalpflanzen verbreitet. Spinacia (Spinat) und Beta vulgaris (Runkelrübe), in vielen Varietäten (Mangold, Zuckerrübe, Rote Rübe), sind bekannte Kulturpflanzen.

Amaranthaceae: Meist Kräuter; Amaranthus-(Fuchsschwanz)- Arten sind beliebte Gartenpflanzen mit kleinen, in meist zusammengesetzten, ähren- oder traubenähnlichen Blütenständen vereinten Blüten. Amaranthaceen kommen mit Ausnahme der arktischen Regionen weltweit vor. Die Samen einiger Arten sind eßbar, jene werden daher - in Mittel- und Südamerika - angebaut.


BLÜTENDIAGRAMM:
Silene vulgaris
Caryophyllaceae

© S. LIEDE


Caryophyllaceae: Die Caryophyllaceen sind Kosmopoliten. Das Zentrum der Diversifikation, und damit vermutlich der Ort ihrer Entstehung, liegt im europäischen Mittelmeerraum. Auf der nördlichen Hemisphäre sind sie arten- und individuenreicher als auf der südlichen. Arten der Gattung Stellaria (z.B. Stellaria media, die Vogelmiere) oder Cerastium sind Pionierarten.

Sie gelten als "Unkräuter", weil sie vegetationslose Ruderalflächen (gestörte Biotope) zügiger als viele andere besiedeln. Wie schon erwähnt, sind viele dieser Arten autogam.

Caryophyllaceen sind fast ausnahmslos Kräuter oder Stauden. Die Blätter sind fast immer gegenständig, und gegenüberstehende Blätter sind an der Basis oft miteinander verwachsen. Der Stengel ist an den Knoten verdickt. Die Blüten stehen meist in Dichasien, sie sind in der Regel zwittrig und radiärsymmetrisch gebaut, oft ist die Blütenhülle doppelt. Die Zahl der Sepalen und Petalen beträgt meist fünf, seltener vier. Vielfach sind die Petalen tief eingeschnitten, so daß der Eindruck erweckt wird, ihre Zahl läge bei zehn. Die Zahl der Stamina ist in der Regel doppelt so hoch wie die der Petalen, doch oft, z.B. in der Gattung Silene, ist sie sekundär reduziert. Der Fruchtknoten ist fast immer oberständig, und die Früchte sind als vielsamige Kapseln oder einsamige Nüsse ausgebildet.

Die Caryophyllaceae enthalten keine Betalaine, sondern Anthocyane, und es ist daher ein Streit darüber entstanden, ob man sie überhaupt den Caryophyllales zurechnen darf oder sie als gesondertes Taxon zu behandeln hat. Inzwischen hat sich die Ansicht der Mehrheit der Systematiker durchgesetzt, sie - vor allem aufgrund des Blütenbaus, der vorhandenen P-Plastiden, der Pollenmerkmale und der Leitbündelarchitektur - bei den Caryophyllales zu belassen

Der Familie gehören etwa 2000 Arten an, die man aufgrund des Blütenbaus drei Unterfamilien zuordnen kann. Die Alsinoideae besitzen freie Kelchblätter, bei den Sileneoiden sind sie zu einem röhrenförmigen Kelch verwachsen; die Paronychioideae zeichnen sich vielfach durch das Fehlen von Petalen aus. Zu den Alsinoideae gehören die Gattungen Stellaria (Miere), Arenaria (Sandkraut), Cerastium (Hornkraut) u.a., zu den Sileneoiden Silene (Leimkraut) und Dianthus (Nelke). Dianthus-Arten sind in vielen Varianten als Garten- und Schnittblumen bekannt.

Links: Silene colorata (Kreta). Rechts: Silene inflata.



© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de