Die Liliidae sind die artenreichste Unterklasse der Monokotyledonen. Im Gegensatz zu den weitgehend anemophilen Commelinidae beruht ihr Erfolg auf einer Vielseitigkeit im Blütenbau und einer damit verbundenen Adaptation an bestimmte Bestäuber, vorwiegend an spezialisierte Insekten, seltener an Vögel oder Fledermäuse. Anemophilie und Autogamie sind die Ausnahmen.
Die meisten Liliidae sind terrestrisch oder epiphytisch lebende Stauden, oft sind sie obligat mycotroph und manchmal als Parasiten chlorophyllfrei. Dazu kommen verholzte Vertreter, von denen einige echte Bäume mit einem charakteristischen, anomalen sekundären Dickenwachstum sind. Typisch ist die Ausbildung von meist unterirdischen Speicherorganen (Wurzelstöcken, Knollen, Zwiebeln). Die Wurzeln enthalten Gefäße; in oberirdischen Teilen sind sie nur bei Vertretern zweier kleiner Familien zu finden. Als sekundäre Pflanzenstoffe wären Alkaloide und Saponine zu nennen.
Die Blätter stehen meist wechselständig, gelegentlich aber auch gegenständig, in Quirlen oder in grundständigen Rosetten. In der Regel sind sie ungeteilt, am Rande oft gezähnt und mit Parallelnervatur versehen. Die Blüten sind üblicherweise zwittrig, radiärsymmetrisch oder stark asymmetrisch. Sie enthalten Nektarien. Sepalen und Petalen sind nicht voneinander unterscheidbar. Die Perianthteile sind meist frei, gelegentlich aber auch verwachsen. Der ein- bis dreikammrige Fruchtknoten ist ober- oder unterständig. Er enthält zahlreiche Samenanlagen in axiler oder parietaler Placentation. Die Frucht ist meist eine Kapsel; aber auch andere Fruchtformen (z. B. Beeren) kommen vor. Die Samen sind nicht immer endospermhaltig. Sofern ein solches vorhanden ist, ist es ziemlich hart, denn die an sich schon dicken Wände sind durch Ein- und Auflagerungen von Hemicellulose verstärkt. Die Zellen enthalten Proteine und Öl, selten Stärke als Reservestoffe. Die etwa 25 000 Arten lassen sich zu fünf Ordnungen gruppieren.
Derzeit in Botanik online nicht behandelte Ordnung: Melanthiales, ihre Familien und Gattungen
Pontederiaceae | Iridaceae | Xanthorrhoeaceae | Smilacaceae | Orchidaceae |
Haemodoraceae | Aloeaceae | Hanguanaceae | Dioscoreaceae | |
Liliaceae | Agavaceae | Taccaceae | Burmanniaceae |
Die Diosoreales verfügen über eine Anzahl ursprünglicher dikotyledonenartiger Merkmale. So beispielsweise die (bei einigen Arten) gestielten Laubblätter und die netznervige, kreisförmige Anordnung der Leitbündel im Stengel. Ihnen gehören eine Anzahl meist tropischer und subtropischer Kräuter oder holziger Schlingpflanzen an. Ein charakteristisches Merkmal der Arten aus der Gattung Dioscorea sind die mit einer Träufelspitze versehenen Blätter. Die bekannteste (krautige) heimische Art ist Paris quadrifolia (Einbeere), eine der amerikanischen Gattungen ist Trillium, Abbildungen nordamerikanischer Arten.
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Die Asparagales wurden früher vielfach mit den Liliales in eine Ordnung gestellt. Die Aufgliederung (H. HUBER, 1969) beruht auf dem häufigen Vorkommen von Septalnektarien, die bei den Liliales nie beobachtet wurden. (Statt dessen erfolgt die Nektarsekretion dort am Grunde der Staubblätter.) Bei den Asparagales kommt Sukkulenz vor, bei den Liliales nie. Schleimzellen und Raphidenbündel (Bündel nadelförmig aussehender Kristalle) in den Zellen sind bei den Asparagales verbreitet, sie sind aber auch bei den Liliales zu finden.
Ferner unterscheiden sich die beiden Ordnungen durch die Form der Früchte. Bei den Asparagales sind entweder Beeren mit unpigmentierten Samen vorhanden, oder es kommen in den in Fächer gegliederten Kapseln schwarzgefärbte Samen vor. Die Färbung wird durch Phytomelane verursacht, die bei den Liliales nicht vorkommen. In einigen der Familien finden sich schwarzgefärbte Samen auch in den Beeren. Das äußere Integument der Beerenfrüchte löst sich im Verlauf der Reifung weitgehend auf (es verschleimt), der mechanische Schutz der Samen wird dann ausschließlich durch ein zu einem Panzer verhärteten Endosperm gewährt. Bei Arten mit Kapselfrüchten verhärtet das äußere Integument zu einer spröden schwarzen Kruste.
Smilacaceae: Die Ordnungszugehörigkeit dieser Familie ist zweifelhaft Sie nimmt eine Zwischenstellung zwischen den Dioscoreales und den Asparagales ein. Während sie in der Mehrzahl der kürzlich erschienenen Systemvorschläge an dieser Stelle erscheint, wurde sie von R. M. T. DAHLGREN et al. (1985) den Discoreales zugeschlagen. Die Smilacaceae sind in der Regel verholzte Kletterpflanzen, selten aufrecht wachsende Kräuter oder verzweigte Sträucher. Gefäße kommen in den Wurzeln und im Stamm vor. Die wechsel- oder gegenständigen gestielten Blätter sind mit großen Blattspreiten ausgestattet. Die Blattspreite kann, z.B. bei Smilax, Rankencharakter annehmen. Die Blüten sind radiär und entweder zwittrig, oder - wie bei Smilax - eingeschlechtig. Die Pflanzen sind diözisch. Smilax pumila ist ein Vertreter der mediterranen Flora.
Convallariaceae: Es sind typische Rhizompflanzen der nördlichen Hemisphäre. Die Frucht ist eine Beere. Das Perigon ist frei, wie beispielsweise bei Maianthemum bifolium (Zweiblatt), oder verwachsen, wie bei den Polygonatum-Arten (Salomonsiegel) und Convallaria majalis, dem Maiglöckchen.
Asparagaceae: Die Blätter sind zu Schuppen reduziert, die Photosynthese erfolgt in Phyllokladien (zu blattähnlichen Gebilden umgeformten Seitensprossen. Die Phyllokladien von Ruscus, aus der den Asparagaceae nahestehenden Familie der Ruscaceae, sind das Standarddemonstrationsobjekt für diese Metamorphose. Nicht weniger eindrucksvoll sind sie bei Semele ausgebildet, hier ähnelt die Phyllokladienanordnung einem gefiederten Blatt. Die Blüten sind eingeschlechtig, die Frucht ist eine Beere, und die Wurzel als Wurzelstock ausgebildet. Die Sprosse von Asparagus officinalis (Spargel) sind reich an freiem Asparagin.
Dracaenaceae: In diese Familie gehört der auf den Kanarischen Inseln beheimatete Kanarische Drachenbaum (Dracaena draco) und der in Afrika verbreitete Dracaena fragrans, der sich durch ein monokotyledonenspezifisches sekundäres Dickenwachstum (mit ausschließlich extrafaszikulärem Kambium) auszeichnet. Viele der Arten dieser Familie - die meisten davon in Afrika beheimatet - besitzen einen mehr oder weniger verholzten Stamm, einigen Arten (z.B. Sansevieria zeyloni) fehlt ein solcher, Ansätze zu einem zum Teil unterirdischen Stamm sind jedoch erkennbar. Die Blätter dieser Art sind sukkulent.
Asteliaceae: Den Asteliaceen werden die Keulenlilien (Cordyline) zugeordnet. Es sind große Kräuter oder Bäume (Cordyline australis), deren Blätter schopfartig angeordnet sind (in Form einer Rosette, daher auch die Bezeichnung "Rosettenbaum" oder "Schopfbaum"). Eine derartige Wuchsform kommt auch bei anderen Asparagales-Familien, nicht jedoch bei den Liliales vor.
Agavaceae: Die Agavengewächse sind Pflanzen warmer und trockener Standorte (Xerophyten) in der Alten und der Neuen Welt. Im Habitus ähneln sie den Aloeaceae (= Asphodeliaceae, einer weiteren Familie der Asparagales), doch unterscheiden sie sich von diesen im Blütenbau sowie durch blattanatomische und cytologische Merkmale. Es sind strauch- oder baumartige Stauden (blattsukkulente Schopfpflanzen), gelegentlich echte Bäume, selten einjährige Kräuter. Auffallend ist das Vorkommen von 5 großen und 25 kleinen Chromosomen bei zahlreichen Arten (z.B. der Gattungen Agave, Yucca). Derartige Karyotypen wurden aber auch bei einer Liliaceengattung (Hosta) gefunden. Ob dieses Muster als ein Indiz für eine phylogenetische Verwandtschaft der betreffenden Arten herangezogen werden kann, bleibt zu klären. Einige Arten dieser Familie und deren wirtschaftliche Bedeutung: Die in den Blättern enthaltenen Fasern von Agave sisalana und Agave fourcraeoides werden zu Sisalhanf verarbeitet, aus Agave americana wird ein alkoholisches Getränk, der in Mexiko gebraute Pulque gewonnen. |
Die Gattungen Agave und Yucca unterscheiden sich durch die Lage des Fruchtknotens, bei Agave ist er unter-, bei Yucca oberständig. (Die den Neuseelandhanf liefernde Art Phormium tenax gehört zur verwandten, in Südostasien, Australien und dem pazifischen Raum beheimateten Familie der Phormiaceae).
Hyacinthaceae: Zwiebelpflanzen mit traubigen Blütenständen, oberständigem Fruchtknoten und Kapselfrüchten. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Südafrika bis ins Mittelmeergebiet. Bekannte Gattungen sind Hyacinthus (Hyazinthe), Scilla (Blaustern) und Muscari (Träubelhyazinthe).
Alliaceae: Zwiebelpflanzen mit grundständigen Blättern und Blüten in Scheindolden. Wie bei den Hyacinthaceae ist der Fruchtknoten oberständig und die Frucht eine Kapsel. Allium (Lauch): Die stechend riechenden Inhaltsstoffe sind Derivate des Cysteins (Alliin und Homologe). Di- und Polyalkylsulfide werden als Lauchöle bezeichnet.
Bekannte Arten sind Allium cepa (Küchenzwiebel), Allium porrum (Porree), Allium sativum (Knoblauch), Allium schoenoprasum (Schnittlauch) und Allium ursinum (Bärlauch).
Amaryllidaceae: Die alkaloidreichen Amaryllidaceae stehen den Liliales sehr nahe; sie zeichnen sich diesen gegenüber durch einen unterständigen Fruchtknoten aus. Ihre Blüten stehen einzeln oder sind zu doldenartigen Blütenständen vereint. In den Zwiebeln kommen neben Stärke Fructane vor; in Stengeln und Blättern werden große Mengen an glucomannanhaltigem Schleimen produziert.
Typische Vertreter sind Narcissus, Clivia, Amaryllus, Leucojum und Galanthus (Schneeglöckchen)
Abbildungen aus: O. W. THOMÉ,
- Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz (1885 - 1905)
digitale Bearbeitung und © Kurt Stüber MPI für Züchtungsforschung.- Kurt Stübers online library of historic biological books
Crinum angustum und Hymenocallis littoralis.
Autotrophe, selten mycotrophe, meist perennierende Stauden, selten annuelle Kräuter mit ausgedehnten unterirdischen Speicherorganen oder Sträucher. Die zu verschieden gestalteten Infloreszenzen vereinten Blüten sind meist entomophil. Die Placentation der Samenanlagen ist zentralwinkelständig, die Samen enthalten meist ein voluminöses Endosperm. Die Stärkekörner sind, wenn vorhanden, nicht zusammengesetzt. Die Früchte sind wandspaltige Kapseln, nur ausnahmsweise Beeren; die Samen sind nie schwarz.
Allein 4000 Arten rechnet man zu den Liliaceae, der "typischen Familie der Monokotyledonen", und 1500 zu den Iridaceae. Keine der Familien kann als primitiv eingestuft werden, da alle, in wechselnder Zusammensetzung, ursprüngliche und abgeleitete Merkmale enthalten.
Liliaceae (einschließlich Colchicaceae): Die Liliaceae sind eine der großen Angiospermenfamilien und die wohl bedeutendste für den Gartenbau, denn fast alle Vertreter zeichnen sich durch dekorative, meist duftende Blüten aus. Sie stehen einzeln oder sind zu den verschiedensten Infloreszenzen zusammengefaßt. Die Liliaceae sind Kosmopoliten, obwohl einzelne Gattungen oder Unterfamilien nur beschränkte Verbreitung haben. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in trockeneren, kühleren bis subtropischen Gebieten. Die Liliaceae sind fast ausnahmslos Stauden, deren vegetative Teile bei Arten der gemäßigten und subtropischen Zonen einjährig sind. Es überwintern unterirdische Speicherorgane, wie Wurzelstöcke, Knollen oder Zwiebeln. Letztere können als unterirdische Knospen aufgefaßt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Speicherorgane lassen sich einzelne Unterfamilien der Liliaceae charakterisieren. Ansätze zu einem sekundären Dickenwachstum sind bei Veratrum-Arten (Germer) festzustellen. Die Mehrzahl der Arten enthält toxische Inhaltsstoffe der folgenden Stoffklassen: Steroidsaponine, Steroidalkaloide, Alkaloide als Derivate des Phenylalanins oder Tyrosins und Chelidonsäurederivate. Calciumoxalat ist weitverbreitet und wird in Form von Raphiden oder anders gestalteten Kristallen gelagert. Die vegetativen Organe sind meist von schleimhaltigen Kanälen durchsetzt. Die Blätter sind in der Regel linear und parallelnervig; bei vielen Arten ist eine Scheide ausgebildet, bei anderen fehlt sie.
Bekannte Vertreter und einige ihrer Besonderheiten: Colchicum autumnale (Herbstzeitlose). Die Blätter entwickeln sich im Frühjahr, die Blüten im Herbst, die Samenreife erfolgt im darauffolgenden Frühjahr. Das bekannte Alkaloid dieser Art ist das Colchicin, dessen Wirkung in der Hemmung der Mikrotubulibildung liegt (Mitosehemmstoff, ein Agens zur Induktion von Polyploidie).
Weitere Kräuter: Veratrum (Germer), Anthericum (Graslilie), Gagea (Goldstern). Lilium (Lilie): Lilium martagon (Türkenbund); Lilium bulbiferum (Feuerlilie), ihre aufrecht stehenden, nicht-duftenden Blüten werden von Tagfaltern bestäubt. Fritillaria meleagris (Schachblume). Tulipa gesneriana (Tulpe) Herkunft: Steppen Westasiens. Abbildungen weiterer Arten
Abbildungen aus: O. W. THOMÉ,
- Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz (1885 - 1905)
digitale Bearbeitung und © Kurt Stüber MPI für Züchtungsforschung.- Kurt Stübers online library of historic biological books
BLÜTENDIAGRAMME: links: Muscari (Liliaceae) - mitte: Iris (Iridaceae) - rechts: Orchidaceae
Iridacae: Die Iridaceae stehen den Liliaceae sehr nahe, besitzen aber nur drei, anstelle von sechs Stamina, sie haben in der Regel einen unterständigen Fruchtknoten. Die sechs Perigonblätter sind entweder alle gleichgestaltet (z.B. bei Crocus) oder bestehen aus zweimal drei verschieden gestalteten (z.B. bei Iris). Oft sind sie an der Basis verwachsen. Die Blüten sind radiär (z.B. bei Crocus) oder zygomorph (z.B. bei Gladiolus). Die Blätter sind entlang der Mittelrippe oft scharf gekielt. Die Blattscheide ist, wenn vorhanden, offen. Wie die Liliaceae sind auch die Iridaceae Kosmopoliten. Ihr Verbreitungszentrum liegt in Südafrika, wo 900 der 1500 Arten vorkommen. Bekannte Gartenpflanzen sind Iris, Gladiolus, Crocus und Freesia.
Abbildungen aus: O. W. THOMÉ,
- Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz (1885 - 1905)
digitale Bearbeitung und © Kurt Stüber MPI für Züchtungsforschung.- Kurt Stübers online library of historic biological books
Die Ordnung Orchidales ist in sich weitgehend homogen und daher leicht gegenüber anderen abgrenzbar. Sie enthält keine Art, deren Zuordnung zu ihr fraglich wäre. Gegenüber den Liliales zeichnen sich die Orchidales durch obligate Mycotrophie und Produktion einer hohen Zahl an Samen aus. Es sind Kosmopoliten. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt jedoch in den Tropen. In der mitteleuropäischen Flora sind sie mit knapp über 50 Arten vertreten. Die Orchidales gliedert man in drei Familien; der bei weitem größte Teil der Arten gehört zu den Orchidaceae. Die beiden übrigen sind artenarm, und von den Orchidaceae vornehmlich durch die Zahl ihrer Stamina unterscheidbar.
Orchidaceae: Die Orchidaceae sind die artenreichste Angiospermenfamilie. Über die Artenzahl werden unterschiedliche Angaben gemacht: 15 000 (bis 20 000, vielleicht sogar bis 30 000). Die Ursache für diese Unsicherheit liegt darin, daß kaum eine der Arten wirklich individuenreich und weit verbreitet ist. In vielen Fällen ist nicht sicher, ob zwei oder mehr als Arten beschriebene Formen tatsächlich eigenständige Arten sind oder lediglich Varianten ein und derselben Art. Unter Kulturbedingungen sind in der Nachkommenschaft einer Pflanze zahlreiche neue Formen gefunden und weitergezüchtet worden. Von dieser Feststellung ausgehend, muß man annehmen, daß sich auch in der Natur an verschiedenen Standorten unterschiedlich aussehende Phänotypen durchsetzen. Das würde die Zahl beschriebener Arten stark reduzieren, andererseits werden ständig neue Arten beschrieben, so daß die Artenliste sich stetig verlängert.
Was ist das Besondere an den Orchidales / Orchidaceae? Bereits C. DARWIN hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt; er kam zu dem Schluß, daß sich die Orchideen in ihren vegetativen Teilen nur wenig, im Blütenbau aber stark voneinander unterscheiden. Wie bei keiner anderen Familie ist die Blüte an eine Bestäubung durch bestimmte Bestäuber (Bienen, Wespen, Hummeln, Schmetterlinge, Käfer, aber auch Vögel und Fledermäuse) adaptiert. Der hohe Grad an Spezialisierung - zum Teil gibt es sogar Mimikryerscheinungen (typisches Beispiel: Ophrys) - spiegelt sich in der Formen- und Farbenfülle der Orchideenblüten wider. Dennoch lassen sie sich auf ein recht einfaches Grundmuster zurückführen.
Die Blüten sind meist zwittrig und zygomorph. Sie stehen meist in ährigen oder traubigen Infloreszenzen in den Achseln von zuweilen gefärbten Hochblättern. Die Blütenhülle - das Perigon - besteht aus zwei Blütenblattkreisen mit je drei freien oder verwachsenen Blättern. Das "mittlere" (d.h. das mediane) Blatt des inneren Kreises ist meist zu einer gespornten Lippe, dem Labellum, verwachsen. Es dient als Landeplatz für Insekten, und fast immer ist es anders gestaltet und gefärbt als die übrigen Perigonteile, von denen sich die des äußeren Kreises auch meist von den beiden übrigen des inneren unterscheiden.
Die meisten Orchideen besitzen nur ein funktionelles Staubblatt (Ausnahme: bei Cypripedium calceolus, dem Frauenschuh sind zwei vorhanden), das mit dem Griffel zu einer säulenförmigen Struktur, dem Gynostegium verwachsen ist. Eine Selbstbefruchtung wird meist unterbunden, denn einer der drei Stigmalappen ist steril und als Rostellum ausgebildet, das sich als Schirm zwischen Anthere und die beiden fertilen Stigmalappen schiebt.
Die Pollenkörner sind fast immer (Ausnahme: u.a. Cypripedium) untereinander verklebt und bilden ein Pollinium, das bei der Bestäubung als Ganzes übertragen wird. Der um 180° gedrehte, unterständige Fruchtknoten ist in der Regel aus drei Karpellen zusammengesetzt. Er enthält in parietaler (selten zentralwinkelständiger (axiler) Placentation eine hohe Zahl (größenordnungsmäßig 104 bis 106) von Samenanlagen. Die Samen sind endospermlos; die Embryonen bestehen aus nur wenigen undifferenziert aussehenden Zellen. Die Reifung dauert zwei bis achtzehn Monate, die Zeit bis zur Keimung ist etwa ebenso lang. Es können dann nochmals drei bis vier Jahre vergehen, ehe der gesamte Vegetationszyklus durchlaufen ist. Um die Zeit zu verkürzen, erfolgt die Vermehrung von Orchideen in Gärtnereibetrieben heutzutage ausnahmslos über Meristemkulturen. Die winzigen Samen werden nicht gezielt durch tierische Vektoren (Verbreiter) an geeignete Standorte verfrachtet, sondern durch Luftströmungen ungezielt verteilt. Nur ein kleiner Teil gelangt deshalb an Orte, die den Pflanzen geeignete Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Im Zusammenhang hiermit ist die obligate Pilzsymbiose während der Jugendentwicklung der Orchideen zu sehen. Nur wo der Pilz optimale Lebensbedingungen vorfindet, kann der Same keimen. Die Bildung der Pollinien steht im Zusammenhang mit der hohen Zahl der Samenanlagen, die sich nur dann weiterentwickeln können, wenn eine ebenso große Zahl an Pollenkörnern für deren Befruchtung zur Verfügung steht. Um eine Übertragung der Pollinien sicherzustellen, haben sich ausgeklügelte Spezialisierungen im Blütenbau (einschließlich Farbe, Duft, Nektarien usw.) als nützlich erwiesen.
Etwa ein Drittel der Arten lebt terrestrisch, die übrigen meist epiphytisch, einige wenige sind Saprophyten [z.B. Neottia nidus-avis (Nestwurz)] mit chlorophyllfreien, zu Schuppen reduzierten Blättern. Terrestrisch lebende Arten besitzen handtellerförmig untergliederte Wurzelknollen oder oberirdische Sproßknollen, die reich an Stärke (zusammengesetzte Stärkekörner), schleimführenden Zellen und Wasser sind (Wasserspeicher); Gefäße kommen in den Wurzeln vor, nur ausnahmsweise sind sie im Stengel, noch seltener in den Blättern zu finden.
Epiphytisch lebende Arten besitzen Luftwurzeln (mit Velamen radicum.; z.B. bei Dendrobium). Zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören neben Alkaloiden verschiedene Saponine. Vanillin (aus Vanilla) entsteht nach Glykosidabspaltung aus der geruchlosen Vorstufe Vanillosid.
Die artenreichsten Gattungen sind Dendrobium (1500 Arten), Bulbophyllum (1000 Arten) und Epidendrum (800 Arten). Häufig kultiviert werden Arten aus der Gattung Cattleya (60 Arten). Einige typische Arten / Gattungen der mitteleuropäischen Flora: Cypripedium calceolus (Frauenschuh), selten in Laubwäldern Süddeutschlands; Epipactis (Sumpfwurz); Neottia nidus-avis (Nestwurz); Platanthera bifolia (Zweiblättrige Kuckuksblume); Coeloglossum (Hohlzunge); Gymnadenia (Händelwurz); Nigritella (Kohlröschen); Ophrys (Ragwurz); Orchis (Knabenkraut, 15 Arten); Corallorhiza (Korallenwurz), wurzellos, korallenartig aussehende, verzweigte Grundachse.
Diese Orchideen sind Beispiele für terrestrisch lebende Arten. Die meisten kommen an offenen Standorten (z.B. auf Trockenwiesen), vor. Sie sind damit ein eindrucksvolles Beispiel für die ökologische Vielseitigkeit der Familie. Die Endung . . ."wurz" deutet auf die bereits genannten handtellerförmig verzweigten Wurzelknollen hin.
© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de