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Algen



Algen sind kein Taxon im Sinne biologischer Systematik. Die Bezeichnung entstammt der Umgangssprache und hat eine lange Tradition. Sie umfaßt eine Reihe in sich weitgehend einheitlicher, untereinander aber sehr verschiedener Gruppen. Ihnen rechnet man üblicherweise auch die Cyanophyta (Blaualgen) zu, obwohl inzwischen klar ist, daß sie nicht zu den Pflanzen, sondern zu den Prokaryoten gehören.

Die eukaryotischen Algen repräsentieren die erste erfolgreiche, auch heute noch weit verbreitete Pflanzengruppe. Sie sind fast ausnahmslos an aquatische Lebensweise adaptiert. Zusammen mit den Cyanophyta sind sie die vorherrschenden Primärproduzenten in allen aquatischen Lebensräurnen, und von ihrer Aktivität hängt die Existenz aller übrigen im Wasser lebenden Organismen ab. Sie gehören aber auch zu den Hauptsauerstofflieferanten an der Erdoberfläche, so daß letztlich auch unsere Existenz von ihrer Anwesenheit abhängt.

Die einzelnen Algengruppen (Abteilungen) unterscheidet man vornehmlich nach der Zusammensetzung ihrer Photosynthesepigmente und -produkte. Erst in den letzten Jahren begann man, sich intensiver mit der Ultrastruktur der eigentlichen Wirtszellen (für die endosymbiotisch aufgenommenen Plastiden) zu befassen. Trotz zahlreicher bereits vorliegender Ergebnisse kommt man zu keiner Neueinteilung, die die bisherige infrage stellen würde.

Es besteht keine einhellige Meinung darüber, in welcher Reihenfolge die Abteilungen anzuordnen sind. Von verschiedenen Autoren werden Gruppen, die hier als Abteilungen vorgestellt werden, als Klassen behandelt. Die unterschiedlichen Photosynthesepigmente in den Plastiden der einzelnen Abteilungen sind ein stichhaltiges Indiz für polyphyletischen Ursprung der Algen.

Mit anderen Worten: Bestimmte Abteilungen, wie z.B. die Rhodophyta (Rotalgen), die Chrysophyta und Phaeophyta (Braunalgen). sowie die Chlorophyta (Grünalgen) und Euglenophyta erwarben ihre Plastiden unabhängig voneinander. Sie können daher nicht auf einen gemeinsamen Vorfahr zurückgeführt werden. Die Gemeinsamkeiten beschränken sich allenfalls auf einen gleichartigen Mechanismus des Erwerbs von Endosymbionten. Unterschiedlich waren dabei einerseits die plastidenfreien eukaryotischen Wirtszellen, andererseits aber auch die Symbiosepartner (=unterschiedliche Gruppen seinerzeit lebender photosynthetisierender Prokaryoten). Noch problematischer war die Entstehung der Pyrrhophyta (Dinoflagellaten). Deren Plastiden scheinen bei einigen der Arten den Chrysophyten (einer Abteilung eukaryotischer Algen) homolog zu sein.

Anders gesagt: Plastidenfreie Flagellaten haben eukaryotische Algen als Symbionten aufgenommen. Korrekterweise müßte man die Dinoflagellaten daher den Protisten zuordnen; allein schon deshalb, weil viele Arten (z.B. Noctiluca miliaris) plastidenfrei sind, und die übrigen, wie gerade dargelegt, in Symbiose mit Pflanzen leben. Das tun nämlich andere Protisten auch (z.B. Paramaecium bursaria). Dennoch werden die Dinoflagellaten hier mit aufgeführt und beschrieben, weil sie nach den Diatomeen die zweitwichtigste Gruppe des marinen Phytoplanktons sind.

Ähnlich zweifelhaft ist ferner die Stellung der Cryptomonaden (Cryptophyta). Sie sind zwar wenig auffällig, im Süßwasser zeitweilig aber vorherrschend. Ihre Plastiden ähneln denen der Rotalgen. Wie sie sie erworben haben, bleibt unklar, und das letzte Wort über ihre systematische Zugehörigkeit ist noch nicht gesprochen.

Abgesehen von etlichen Arten der Euglenophyta, gibt es keine plastidenfreien (echten) Pflanzen. Diese Aussage hat dogmatischen Charakter, d.h., daß das Kerngenom und das Plastidengenom (sowie das mitochondriale Genom) so gut aufeinander eingespielt sind, daß keines ohne das andere auskommt. Die Wechselwirkung ist wichtiger als z.B. der Photosyntheseprozeß, denn nicht-photosynthetisierende, chlorophyllfreie, jedoch plastidenhaltige Pflanzen (Arten und Mutanten) kommen in allen systematischen Gruppen vor, wenngleich sie in der Natur nicht gerade häufig sind.

Die meisten Algen leben im Plankton (planktische Lebensweise) oder im Benthos (festsitzende Lebensweise). Planktische Algen (und Blaualgen) erreichen oft hohe Zellzahlen. Das verleiht den Gewässern eine grüne Farbe, so daß man von einer Wasserblüte spricht. Wenige Arten, vor allem einzellige Chlorococcales leben in Symbiose mit Pilzen (Flechten), mit Paramaecium (Paramaecium bursaria), Hydra, Xanthophyceen mit stockbildenden Korallen, einigen Mollusken und Schwämmen.

Die Zellwände der Braun- und Rotalgen z.B. enthalten nur wenig oder überhaupt keine Cellulose, Ihre Wände bestehen vornehmlich aus anderen Polysacchariden. Deren Stabilität genügt den Ansprüchen aquatischer Lebensweise; die Zugfestigkeit ist recht hoch. Andererseits sinken die Algen ohne den Auftrieb des Wassers in sich zusammen. Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Evolution terrestrischer Formen, obwohl es einen starken Selektionsdruck in diese Richtung geben sollte, denn viele Arten kommen in der Gezeitenzone oder in anderen zeitweilig trockenfallenden Lebensräumen vor.

Photosynthesepigmente, Resevestoffe und Zellwandbestandteile

der wichtigsten Algengruppen (Abteilungen)

Abteilung
Klasse
Chlorophylle
u.a. Pigmente
(excl. Carotinoide)
Carotinoide Reservestoffe* Zellwandbestandteile*
Cyanophyta**
(Blaualgen)
a,
Phycocyanin
Phycoerythrin
beta-Carotin,
Xanthophylle,
stärkeähnliche Polysaccharide Murein,
Lipopolysaccharide
Rhodophyta
(Rotalgen)
a, Phycocyanin,
Phycoerythrin
beta-Carotin,
Lutein
stärkeähnliche Polysaccharide Cellulose, Kalk, Xylomannane,
sulfonierte Polysaccharide
(Galactane)
Euglenophyta a, b beta-Carotin,
Xanthophylle
Öle, Paramylon fehlen
Chlorophyta
(Grünalgen)
a, b alpha-,beta-,
gamma
-Carotin, Lutein,
Neoxanthin,
Violaxanthin,
Zeaxanthin
Stärke Protein, Polysaccharide,
Cellulose,
Xylane, Mannane
Chrysophyta
Chrysophyceae a, (c) alpha-,beta-,
gamma-Carotin,
Fucoxanthin, u.a. Xanthophylle
Laminaran, Öl Cellulose, Kieselsäure,
Mucopolysaccharide, oder Wand fehlend
Bacillariophyceae
(Diatomeen)
a, c beta-Carotin,
Diadinoxanthin,
Diatoxanthin
Laminaran, Mannitol Kieselsäure
Xantophyceae
(Goldgrüne Algen)
a, c beta-Carotin,
Diadinoxanthin,
Heteroxanthin,
Diatoxanthin
Laminaran Cellulose
(bei wenigen Arten), Kieselsäure
Phaeophyta
(Braunalgen)
a, c beta-Carotin,
Fucoxanthin,
Violaxanthin
Laminaran Cellulose,
Kieselsäure, Alginate, methylierte Mucopolysaccharide
Pyrrhophyta
(Dinoflagellaten)
a, c oder b beta-Carotin,
einige Xanthophylle
Stärke, Öl entweder fehlend,
Mucopolysaccharide oder Cellulose
Cryptophyta (Cryptomonaden) a, c
Phycoerythrin, Phycocyanin, Alloxanthin
u.a. Xanthophylle
alpha- (beta-,epsilon-) Carotin Stärke fehlt
* Als Nebenproduke nachgewiesene Komponenten sind nicht mit aufgeführt.
** Cyanophyta wurden mit aufgeführt, weil sie nach der Endosymbiontenhypothese Vorstufen der farbstoffhaltigen Plastiden sind.

Pigmentzusammensetzung bei verschiedenen Algengruppen. Aus den Absorptionsspektren sind die Anteile der einzelnen Pigmente ablesbar (im unteren Teil der Bilder markiert). Das Grünalgenabsorptionsspektrum ähnelt dem der Landpflanzen. Die übrigen Gruppen können Licht im Bereich von 500-600 nm effizienter absorbieren und können daher das Lichtangebot im Wasser besser nutzen (A. N. GLAZER, 1980).




Die Algen rechnet man zu den Thallophyten. Der Vegetationskörper vielzelliger Arten bildet nämlich einen Thallus, in dem zwar deutliche Differenzierungen zu erkennen sind, der aber nicht die für die Kormophyten (Gefäßpflanzen) typischen Grundorgane (Sproß, Wurzel und Blatt) enthält.

Eine Reihe von Arten wurde in Kultur genommen, von einigen hat man spezifische, gut charakterisierte Mutanten isoliert. Doch trotz zahlreicher Bemühungen ist von nur relativ wenigen Arten der vollständige Lebenszyklus aufgeklärt worden. Algen aus den verschiedensten Abteilungen sind in steigendem Maße zu Objekten der Grundlagenforschung geworden. Manche Arten eignen sich als Testobjekte für bestimmte Forschungsvorhaben:

Physiologische Untersuchungen, z.B. Analyse von Photosyntheseleistungen (in Anpassung an spezielle Umweltbedingungen), Studium des Photoperiodismus und der physiologischen Uhr, Studium von Stoffaufnahme und -abgabe, Toleranz gegenüber Schadstoffbelastungen, u.a.

Analyse der Ultrastruktur; Algen unterscheiden sich vielfach im Bau, der Zahl und Anordnung der Organellen und anderer zellulärer Komponenten (z.B. Anordnung von Mikrotubuli) von Zellen höherer Pflanzen. Vielfach werden Strukturen ausgebildet, die in Zellen höherer Pflanzen (Landpflanzen) nicht vorkommen. Darüberhinaus gibt es ganz andere Typen der Kern- und Zellteilung.

Ökologische Untersuchungen; Analyse der Produktion von Biomasse und Sauerstoff. Viele Algen sondern energiereiche Verbindungen (Kohlenhydrate, Peptide u.a.) ins Medium ab, die anderen Organismen als Nahrung dienen. Andere Arten wiederum sondern toxische Substanzen ab, die die Ausbreitung konkurrierender Arten in ihrem Lebensraum gezielt unterbinden und sich dadurch eine ökologische Nische schaffen.

Eutrophierung von Gewässern führt primär zu einer verstärkten Wasserblüte. Durch anschließendes Absterben von Algen und den dadurch ausgelösten bakteriellen Abbau wird mehr Sauerstoff verbraucht, als ursprünglich gebildet wurde.


Diese Beispiele sollen auf den Stellenwert von Algen in aquatischen Ökosystemen hinweisen. Schließlich spielen Algen auch wirtschaftlich eine bedeutende Rolle. In Südostasien (Japan und China) dienen viele Arten der menschlichen Ernährung, andere sind Quelle chemisch-technisch bedeutender Substanzen. So werden einige von ihnen (Porphyra in Japan, Laminaria in China) in großen marinen Farmen kultiviert. Insgesamt werden pro Jahr etwa drei Millionen Tonnen mariner Makroalgen (Tange) geerntet. Davon entfallen zwei Millionen auf Braunalgen, 600 000 auf nichtverkalkte, und 300 000 Tonnen auf verkalkte Rotalgen.

1979 wurden in China 1,3 Millionen Tonnen (Frischgewicht) der Braunalge Laminaria japonica geerntet, etwa die Hälfte davon kam aus natürlichen Beständen, die andere aus kultivierten. Die größte chinesische Algenfarm liegt bei Haidai. Neben einer Nutzung als Nahrungsmittel, werden Bestandteile der Algen auch anderweitig genutzt:

Agar (ein Produkt südostasiatischer Rotalgen, vornehmlich aus der Gattung Gelidium): z.B. als Nährbodengrundlage für Mikroorganismen.

Alginsäure (aus Braunalgen): Zusatz zu feuerfesten Textilien, Zusatz zu Nahrungsmitteln.

Kieselgur (fossile Diatomeenschalen): Verpackungsmaterial; Dynamit ist ein Produkt aus Kieselgur und Nitroglycerin.

Doch der Versuch, Chlorococcales in Mitteleuropa in großem Stil zu kultivieren und als Nahrungsmittel oder Viehfutter zu verwenden, muß (wegen schwer vermeidbarer Schadstoffakkumulation aus dem Kulturmedium) wohl als gescheitert angesehen werden.


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de